dasGrauen

22.7.2016

Bei den Tests der <krimi>-Äpp bin ich auf die <dasGrauen>-Äpp gestoßen, die ebenfalls von Story-Engine erhältlich ist. Wenngleich Krimis schon ziemlich gruselig sind, so wollte ich doch den nächsten Kick: das wirkliche Grauen. Deshalb bestellte ich <dasGrauen> für 3,99 Euros.

Kaum downgeloaded begann ich mit der Investigation. Passend zum Thema war es frühmorgens gegen 3 Uhr und ich hoffte, meine Tests bis zum Morgengrauen vollenden zu können.

Wie bei der Äpp <krimi> bietet der Home-Screen eine Auswahl vorhandener Geschichten oder die Erzeugung einer neuen grauenhaften Geschichte. Ich beschloss, gleich in die Vollen zu gehen und das Programm mit einer von mir vorgegebenen Einstellung herauszufordern.

Die Einstellmöglichkeiten sind denen in <krimi> sehr ähnlich, in den meisten Fällen sogar identisch. Das ist verständlich, denn auch hier geht es darum, den Rahmen für die Handlung mit einem Parametersatz möglichst genau abzustecken.

Als Titel der von <dasGrauen> zu schreibenden Geschichte wählte ich "Monstrum" aus der einfachen Überlegung heraus, dass ein Scheusal, ein Unhold wohl am ehesten Grauen verbreiten kann. Es sollte ein reales Wesen sein, kein Gespenst oder Zombie. Die Buchlänge stellte ich auf mittel ein.

Bei Orte gab ich einfach maximal 5 Orte ein und bei Personen 8. Als Beziehungsarten wählte ich die Option beliebig. Sollte sich das Programm etwas dazu ausdenken. Längere Zeit musste ich über die Einstellung Grauenarten nachdenken. Aus der angebotenen Palette wählte ich Ekel, Todesangst, Verzweiflung. Für eine grauenhafte Geschichte sollte das doch eine gute Mixtur sein.

Als Motiv für den mutmaßlichen Dämon, der das maximale Grauen verbreiten soll, wählte ich das fundamentale, tiefenpsychologisch verankerte Trauma "Alle hassen mich!". Daraus erwächst, wie immer, Rache. Die ideale Basis für immer neue Romane und amerikanische Filme.

Die Faktoren des Grauens sind fast die Gleichen wie in <krimi> die Beschreibungsfaktoren. Sexlevel gibt es nicht, vermutlich weil beim Horror kein Platz für Sex ist. Ebenso fehlt der Humorlevel aus verständlichen Gründen. Meine Einstellungen:

- Gewaltpotential: niedrig, mittelgroß, sehr groß
- Gewalt-Detailschilderungslevel: gering, mittel, hoch, extrem
- Beängstigungslevel: niedrig, mittel, hoch
- Mystiklevel: null, gering, mittel, hoch
- Komplexität: gering, mittel, groß
- Schreibstil: kontemplativ, detailreich, abstrakt, mehrschichtig, direkt

Bei vier von sechs Faktoren hatte ich den jeweiligen Maximalwert eingestellt, das heißt, die Anforderungen an das Programm sehr hoch geschraubt.

Ich clickte SHOW und wurde mit einem weiteren Menue konfrontiert:

MONSTRUM erfolgreich generiert (1,209sec), 295 Seiten
Anzeigen:
- Alles
- Kapitelanfang (blättern)
- Schlüsselszenen, insgesamt 8
- Schlussszene
- Kurzversion
- Zusammenfassung

Sehr viele Seiten waren da erzeugt worden. Das alles zu lesen war mir erstmal zu viel, deshalb wählte ich Schlüsselszene Nr. 1 und erhielt diesen Text auf dem Display:

Ich sah zu, wie die Verwesung des Todes mehr und mehr nach des Lebens blühendem Antlitz griff, und gewahrte, wie das Gewürm sich in Aug und Hirn einnistete, um nach Gebühr dies fleischerne Erbe anzutreten. Und ich verweilte so lange über der Prüfung und dem Zergliedern all dieser minutiösen Kausalität, darin das Überwechseln des Lebens zum Tode schon Hand in Hand geht mit des Letzteren Wandlung zu neuen Formen des Lebens, bis inmitten aller Finsternis ein plötzliches Licht mich durchzuckte - ein Feuerschein, welcher so strahlend, so wunderbar und doch von so klarer Folgerichtigkeit war, dass ich mich noch im Augenblicke meiner Blendung angesichts der ungeheuerlichen Schau, welche sich vor mir breitete, voll Überraschung fragte, weshalb es denn von all der Vielzahl jener geniebegabter Männer, die ihre Forschungen zu dem nämlichen Zwecke wie ich betrieben hatten, einzig mir vorbehalten blieb, solch bestürzendem Geheimnis auf die Spur zu kommen!
Ihr müsst Euch, teuerster Sir, stets vor Augen halten, dass es nicht die Memoiren eines Irrsinnigen sind, die ich Euch da erzähle. Dies alles, seid versichert, ist so wahr, als die Sonne am Himmel steht! Es mag ja sein, dass irgendein Wunder meine Erkenntnis befördert hat, doch liegen all ihre Stadien offen und klar unterscheidbar vor mir: Ich hatte nach Tagen und Nächten der unglaublichsten, mühevollsten Anstrengung das Geheimnis gelöst, die Ursache aller Zeugung und allen Lebens entdeckt! Ja, mehr noch: Es war mir nun möglich, dem toten Stoffe Leben einzuhauchen!

Was mir bei dieser Textprobe gleich auffiel, war der Schreibstil. Er hat eine Anmutung von Sprache aus ferner Vergangenheit. Inhaltlich ist nicht ganz klar, was da beschrieben wird ...fleischernes Erbe...bestürzendes Geheimnis...Leben einhauchen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, wählte ich die Schlüsselszene Nr. 2.

dasGrauen: Monstrum

"Wie!", so rief er. "Ein jeder Mensch darf sein Weib an seinen Busen drücken, jedes wilde Tier findet sine Gefährtin - und einzig ich soll allein bleiben? Ich war voll der zärtlichsten Gefühle, doch sie wurden zurückgestoßen durch Abscheu und Verachtung! Erdenwurm! Du magst mich zwar hassen, doch sieh dich vor! Deine Stunden werden hinfort von Furcht und Elend regiert sein und nur zu bald wird der Schlag herniedersausen, der dich auf immer deines Glücks berauben muss! Wie! Du sollst glücklich sein, indes ich mich in meinem Elend winde? Aller Leidenschaft magst du mich berauben, doch die Rache bleibt - die Rache, die hinfort mir teurer sein soll denn das Licht des Tages, ja noch die Nahrung, derer ich bedarf! Ich mag daran zugrunde gehn: Doch vorher sollst noch du, als mein Tyrann und Quäler, der Sonne fluchen, welche deinem Elend scheint! Nimm dich in Acht! Ich kenne keine Furcht und dies verstärkt noch meine Macht! Und listig wie die Schlange will ich des Zeitpunkts harren, da ich mit deren Giftzahn nach dir stoße! Erdenwurm! Du sollst, was du mir angetan, aufs Bitterste entgelten!"
"Spar deine Worte, Satan! Vergifte nicht die Luft mit den Tiraden deiner Bosheit! Ich hab meinen Entschluss dir kundgetan und bin der Feigling nicht, vor leeren Drohungen zurückzuschrecken. Heb dich hinweg, denn ich bin unerbittlich!"
"Nun gut, so sei es drum! Ich gehe jetzt! Allein, sei dessen eingedenk: Ich werde dich besuchen in deiner Hochzeitsnacht!"
Ich duckte mich zum Sprung und rief: "Nichtswürdiger! Eh' du mein Todesurteil unterschreibst, sieh zu, ob du des eignen Lebens sicher bist!"
Schon wollte ich ihm an die Gurgel fahren, aber er wich mir aus und eilte aus dem Haus. Nur wenige Sekunden später erblickte ich ihn schon in seinem Boot, das pfeilgeschwind über das Wasser schoss und alsbald in dessen Gewoge verschwunden war.

Aber auch hier überlagert die opulente Sprache den Kern der Aussagen. Dennoch: "...zurückgestoßen durch Abscheu und Verachtung..." deutet darauf hin, dass meine Motivvorgabe "Alle hassen mich" von der <dasGrauen>-Äpp korrekt umgesetzt wurde. Das in den Faktoren des Grauens vorgegebene sehr große Gewaltpotential scheint in der eklatanten Drohung "Ich werde dich besuchen in deiner Hochzeitsnacht!" in Verbindung mit der Wahrnehmung des Angesprochenen als "Todesurteil" umgesetzt zu sein.

Ich hangelte mich durch die Schlüsselszenen bis zur Nr. 8:

Sobald die Erinnerung an all mein vergangenes Ungemach wieder auf mich einstürzte, begann ich, auch über dessen Ursache nachzudenken - über jenes Ungeheuer, das ich geschaffen, jenen elendiglichen Dämon, den ich zu meinem eigenen Verderben in die Welt gesetzt hatte! So ward ich von einem aberwitzigen Ingrimm besessen und von dem glühenden Wunsche, meines Widersachers habhaft zu werden, um einzigartige Vergeltung und Rache an ihm zu üben! Doch verzettelte mein Hass sich nicht lange in nutzlosen Wunschträumen, sondern ich begann über die beste Methode nachzusinnen, auf welche man sich des Mörders versichern könnte.

Hier scheint endgültig klar zu werden, dass diese dasGrauen-Geschichte von zwei Kontrahenten handelt, die sich aufs Blut bekämpfen. Einer davon, das wird jetzt ersichtlich, hat den Anderen erschaffen, hasst ihn aber und zielt mit aller Macht auf dessen Untergang ab.

Ich fing dann doch an, die Geschichte zu lesen, was aufgrund der umständlichen Sprache nicht ganz einfach war. <Monstrum> war von der Äpp wohl in das vorvorige Jahrhundert verlegt worden. Bald bestätigte sich mein Eindruck, dass meine Vorgaben fast perfekt beachtet worden waren. Sogar der von mir gewählte Titel "Monstrum" erfüllte sich in der beschrieben Kreatur, einem menschengleichen Monster.

Nach mehreren Nächten des Lesens war ich von der sprachlichen, inhaltlichen und strukturellen Stringenz sehr beeindruckt. Vor allem ist der merkwürdige Sprachstil des frühen 19. Jahrhunderts konsequent durchgängig. Alles in allem kann ich der <dasGrauen>-Äpp eine gute Leistung bescheinigen. Ich ließ noch andere grauenhafte Geschichten herstellen, die allesamt mein Urteil bestätigten.

Wie bei meiner Untersuchung der <krimi>-Äpp machte ich auch hier eine Plagiatsrecherche. Das Ergebnis ist nicht ganz eindeutig und bedarf weiterer Recherchearbeit.

Im übrigen fand ich auf der Story Engine Website ein Zusatzmodul <Dialog>. Damit soll es möglich sein, Kontakt zum <dasGrauen>-Programm aufzunehmen und Fragen zu stellen. Laut Hersteller kann man dem Entstehungsprozess bei der Entwicklung von Geschichten auf den Grund gehen. Mit <Dialog> und den richtigen Fragen gelingt es, die Gedanken des Programms und deren logische Verknüpfungen zu verstehen. Ich habe das Modul für 6,99 Euro gekauft und begonnen, Fragen zu stellen. Diese müssen sich immer auf ein bestimmtes Werk beziehen. Auf allgemeine Fragen wie "Wer bist du?" gibt es keine Antwort.

Sobald ich einigermaßen verstanden habe, wie <Dialog> arbeitet, werde ich meine Erkenntnisse selbstverständlich veröffentlichen.