Mensch_5.0

Ein unintelligentes Haus

21.1.2016

Viele Menschen leben in einem unintelligenten Haus oder in einer unintelligenten Wohnung, was nicht zeitgemäß ist. Als ich kürzlich ein Häuschen in Nordwest-Mecklenburg baute, war von vornherein klar, dass mein Zuhause intelligent sein sollte. Vor allem sollte alles automatisch gehen.

Nachdem der Grundriss fertig war, begann ich, die Komponenten für die Intelligenz zu planen. Bei meinen Recherchen stieß ich auf die Begriffe "Integriertes Gebäudesystem" (IGS) und "Home Automation". Des weiteren auf das KNX-, QIVICON-, RWE-(SmartHome), Zigbee- und Z-Wave-System. Allen ist gemeinsam, dass im Haus verteilte Sensoren (Temperaturfühler, Rauchmelder usw.) und Aktuatoren (Thermostat, Lichtschalter usw.) mit einer Leitzentrale kommunizieren, das heißt, Informationen dorthin schicken und Befehle von dort erhalten.

Die Komponenten müssen natürlich zur Kommunikation in der Lage sein. Zum Beispiel ist der SmartPlug der Firma iHome eine intelligente Steckdose, die ferngesteuert ein- und ausgeschaltet werden kann. Bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung: im Englischen benutzt man das Adjektiv "smart" (klug, schlau), im Deutschen dagegen "intelligent". Da die meisten smarten Produkte im Ausland hergestellt werden, erfahren sie erst bei der Anwendung in Deutschland eine Aufwertung zum intelligenten Produkt. Übrigens habe ich bei meinen Nachforschungen kein einziges Mal den IQ eines intelligenten Produkts erfahren können. Er sollte jedoch auf keinen Fall höher sein als mein IQ (den ich allerdings nicht kenne, aber soo gering kann er nicht sein).

Zurück zur Planung. Da ich sowieso meine stationären Computer vernetzen wollte, also iMac, MacBook Air, Mac mini (Server), legte ich ein LAN (lokales Netzwerk) aus, und zwar mit mehreren Steckdosen in jedem Zimmer. Meine mobilen Computer iPad und iPhone würden über WLAN (Funkübertragung) mit dem LAN-Router kommunizieren. Dieser benutzt eine UMTS-Antenne zur Einwahl in das Internet. Weiterhin fasste ich die Anschaffung von Apple TV ins Auge, um auf einem großen Wandbildschirm eine permanente Systemdarstellung zu realisieren. An die iWatch dachte ich natürlich auch, für später.

Großen Einfluss auf meine Planung nahm die Entdeckung des Apple Homekits. "Das ist eine Middleware, über die sich Smart-Home-Komponenten und Apps gegenseitig steuern lassen“, sagt Smart-Home-Experte Christian Paetz, Professor an der Technischen Universität Chemnitz. Aha. Eine präzisere Aussage kann man von einem Professor wohl kaum erwarten. Einfach gesagt kann man Homekit-Produkte mit einer App (Application) auf iOS-Computern (iPhone, iPad) auslesen und steuern.

Homekit Logo

Homekit-Produkte müssen von Apple zertifiziert sein. Für die Kommunikation zwischen den Komponenten und iOS-Computern hat Apple eine hardwarebasierte Verschlüsselung in jedem einzelnen Gerät vorgegeben und erlaubt dafür auch nur ganz bestimmte Funkchips. Zertifiziert sind bisher die Produkte von 18 Herstellerfirmen, darunter HomeMatic, Withings, Elgato, Tado, Philips, Schlage. Damit sind diese Produktsparten abgedeckt: Licht, Heizungsthermostat, Steckdose, Fensterkontakt, Türschloss, Dimmer, Rolladen, Alarmgeber, Bewegungsmelder, Kamera, Türklingel.

Nicht berücksichtigt wird im Homekitsystem die Heizungssteuerung. Damit kann ich aber leben, denn mein Heizungscomputer arbeitet ohnehin ganz autonom mit Außentemperatur und Kennlinie. Damit lässt sich die Home Automation Verheißung "Drehen Sie Ihre Heizung aus der Ferne (remote control) hoch. Dann ist es schön warm, wenn Sie nach Hause kommen" ohnehin kaum erfüllen, denn die Fußbodenheizung ist träge. Da bedarf es schon eines vorausschauenden Zeitplans.

Natürlich wäre das KNX-System ("Der weltweite Standard für Haus- und Gebäudesystemtechnik") in der Lage, meine Vaillant-Heizung zu übernehmen und in das Leitsystem einzubinden: "In Kombination mit dem Vaillant multiMATIC 700 Heizungsregler, dem ise smart connect KNX Vaillant sowie dem ise eBUS Adapter können Sie nun die Heizungsanlage, die Lüftungsanlage und/oder die Ertrags- und Verbrauchswerte in Gebäudeszenarien, Visualisierungs- und Facility Management-Systeme einbinden". Das ist mir alles zu viel! Komplex und teuer. Also programmiere ich meine Heizung lokal von Hand, ganz unintelligent. Es gibt jedoch einen Weg, diese Arbeit zu delegieren. Darauf komme ich später.

Ich habe mich also für das Apple Homekit entschieden (ich mag Apple) und diese Komponenten installiert:

Für das An- und Ausschalten von Steckdosen (ganz wichtig für die Kaffeemaschine):
- Intelligente Steckdosen überall (HomeMatic Funk-Schaltaktoren)
Zum Überwachen und Stellen von Fenstern und Türen:
- Funk-Sensoren und -Aktoren an allen Fenstern und Türen (HomeMatic Funk-Fenster/Türantrieb)
Zum Überwachen von insgesamt 6 Räumen plus Flur:
- Kameras, Mikrophone, Lautsprecher, Rauchmelder, Wassermelder, Bewegungsmelder, Temperaturfühler, Feuchtigkeitsfühler überall (Kameras, Lautsprecher, Mikrophone von Withings, Rest von HomeMatic)
Für die Beleuchtung in allen Räumen:
- Philips Hue Beleuchtungssteuerung
Zur Beobachtung der Wetterentwicklung:
- Wetterstation (Netatmo)
Für alle Eingangstüren:
- Türschloss-Antrieb, eingebaute Kamera (Schlage)
Zur Überwachung der Außenanlage:
- Kameras (Edimax) und Bewegungsmelder (HomeMatic) mit Lichtstrahlern an allen Haus- und Garagenseiten, dazu Lautsprecher für Ansagen

Das ist die Hardware. Im Grunde Standard, hier aber total vernetzt und als System hyper-intelligent. Als zentraler Server dient das AppleTV-Gerät. Das iPhone ist im Homekit-System eigentlich nur eine Fernbedienung (allerdings smart!).

Noch zur Hardware: Eine nette Eigenschaft des Philips Hue Systems besteht in der variantenreichen Farbsteuerung von Lichtquellen. Man kann sich zum Beispiel über den Eingang einer Email oder einer WhatsApp-Nachricht informieren lassen - durch Umschalten der gerade eben noch cremeweißen Badezimmerbeleuchtung in ein Milieu-Rot.

Und jetzt zur Schaltzentrale AppleTV mit tvOS Betriebssystem. Alle intelligenten Komponenten des Hauses sind inzwischen registriert. Das war eine mühselige Prozedur, die mich eine gute Woche gekostet hat, denn jede Komponente habe ich natürlich einzeln getestet. Also Lampe an jede Steckdose angeschlossen und An-/Aus-Funktion getestet. Mit Zigarette jeden Rauchmelder getestet. Alarme eingestellt (Lautstärke, Tonprofil). Fenster auf und zu gemacht, zeitgesteuerte Türverriegelungen getestet, sämtliche Bewegungsmelder provoziert, Lichtorgien veranstaltet. Einen Eimer Wasser im Hauswirtschaftsraum (da wo die Heizung ist) verschüttet, um den Wassermelder zu testen. Wassermelder habe ich auch im Wohnzimmer (man weiß ja nie), aber der wird wohl erst im Ernstfall getestet. Und so weiter.

Endlich war es so weit, dass alle Informationen auf dem Wand-TV-Monitor (LG 65UH5B, 164cm Diagonale, 24 Mio. Pixel) darstellbar wurden. Nach zwei Tagen Arbeit mit etlichen Rückfragen bei Apple gelang es, den Soll-Ist-Zustand sämtlicher Komponenten übersichtlich und graphisch auf dem Display anzuzeigen. Diese Systemzustandsanzeige ist immer an, solange ich nichts anderes mit dem AppleTV mache. Sie zeigt die die Bilder aller Kameras (ich selbst bin immer in einem der Frames), den Aktivierungsstatus aller Sensoren (mitsamt Messwerten) und Aktoren, den Alarmverlauf, das Wetter, Kalender, Datum und Uhrzeit, und alle Tagesereignisse, die das Programm beeinflussen.

Homekit Systemanzeige

Zusätzlich zur Systemzustandsanzeige habe ich ein Einstellpanel programmiert, auf dem ich jede Komponente mit jedem Parameter einstellen kann. In der Regel dient das der Zeitsteuerung von Komponenten wie Steckdosen (Kaffeemaschine oder Waschmaschine starten) oder Türschlössern (verriegeln). Die Einstellregeln sind bisher relativ einfach. Aber man kann sich auch komplizierte Logiken ausdenken. Wenn zum Beispiel das Fenster im Dachgeschoss länger als 10 Minuten geöffnet ist bei einer Außentemperatur von minus 10 Grad, dann gibt es entweder einen Alarm oder das Fenster wird von der Zentrale geschlossen. Man kann die Fensteröffnungsdauer auch von der Außentemperatur abhängig machen, wobei zu berücksichtigen ist, ob noch ein weiteres Fenster geöffnet ist, also Durchzug herrscht. In diesem Fall müsste die Dauer verkürzt werden. Wenn man nun aus irgendeinem Grund längere Zeit lüften will und das Fenster nach dem automatischen Schließen gleich wieder öffnet, gibt das einen unangenehmen Alarm und das Fenster geht gleich wieder zu. Deshalb habe ich speziell bei den Fenstern die Möglichkeit, den Aktuator (Stellmotor) manuell abzuschalten, was natürlich zu einer Protokollnotiz führt und zu einem strengen Hinweis in der Zustandsanzeige. Daraus erkennt man, dass die Programmierung des intelligenten Hauses recht knifflig sein kann.

Es gibt auf dem AppleTV-Server ein spezielles Programm für die "Anwesenheitssimulation". Wenn ich nicht zuhause bin, tut das Haus so, als ob ich doch zuhause bin. Von außen betrachtet verhält es sich wie ein bewohntes Haus, also ab und zu wird das eine oder andere Fenster gekippt und wieder geschlossen, der Monitor ist eingeschaltet (ist er immer) und leuchtet, was durch die Fenster schwach erkennbar ist, bei Einbruch der Dunkelheit gehen diverse Lichter an und die Rolladen fahren herunter. Die Aktivierung der Beleuchtung, Fenster und Rolladen erfolgt nach einem Zufallsprogramm, das ich mit einigem Zeitaufwand ausgetüftelt habe. Falls während meiner Abwesenheit eine Bewegung am oder im Haus festgestellt wird, gibt es Alarm, den ich auch auf meinem iPhone erhalte. Bei Bewegung werden die Bilder der entsprechenden Kamera in die Cloud gestreamed und dort gespeichert. Wenn ich feststelle, dass es sich bei dem Eindringling um einen Einbrecher handelt, spreche ich ihn an und frage ihn, was er in meinem Haus sucht. Nach der ersten Verblüffung sind Einbrecher recht umgänglich und erklären ganz genau, was sie suchen. Zum Beispiel Geld. Oder Schmuck. Beides habe ich nicht. Um den Einbrecher nicht zu frustrieren, biete ich meistens die beiden 100 Euro Scheine an, die ich für solche Fälle auf der Ablage im Flur deponiert habe. Das ist die Theorie. Bisher gab es einen solchen Fall noch nicht. Aber im Ernstfall würde es so ablaufen (da bin ich mir ganz sicher).

Nach der Installation begann ich, aus meinem intelligenten Haus ein vernünftiges zu machen. Es sollte mitdenken. Dazu nutzte ich das Programm "Experience". Es trainiert das Homekit-System mit dem Ziel, Gewohnheiten zu erkennen, Maßnahmen abzuleiten und diese selbsttätig auszuführen. So war ich eines morgens ganz überrascht, als ich aus dem Bad kam und der Kaffee schon fertig aufgebrüht war. Einmal wurde ich morgens mit dem Trinklied aus der Oper La Traviata geweckt, in operngemäßer Lautstärke, was eindeutig ein Programmfehler bzw. -Versäumnis war. Es gibt immer noch Bereiche, die nicht voll durchdefiniert und -programmiert sind. So bin ich jetzt schon seit drei Monaten dabei, das System zu optimieren.

Eine nicht ganz triviale Aufgabe bestand darin, mich selbst als den Hausherrn bekannt zu machen. (Ich bin bisher nur anonym als "Administrator" bekannt). Experience nutzt dazu Gesichtserkennung und Bewegungsmuster. Nachdem ich vor der AppleTV-Kamera diverse Mimikübungen absolviert hatte, sollte ich durchs Haus gehen - wie immer. Das Programm zeichnete die Routen (Trajektorien) mit den Zimmerkameras auf und analysierte danach meine Geschwindigkeiten, die Bewegungsarten, Körperhaltung, Verhaltenseigenarten (zum Beispiel wann und wie lange ich den Kühlschrank öffne). Zum Test programmierte ich das Homekit-System so, dass ich, sobald ich erkannt wurde, in jedem Zimmer mit "Hallo Chef" begrüßt wurde. Das nahm ich aber nach einem Tag wieder heraus. Immerhin besteht jetzt eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ich nicht für einen Einbrecher gehalten werde. Denn ein solcher bewegt sich eindeutig anders, mehr schleichend, Blicke nach links und rechts werfend (tu ich nie), Schubladen wahllos herausziehend. Das System weiß, dass ich Schubladen in der Küche nur mittags und abends herausziehe, und auch nur ganz bestimmte.

Allmählich gewöhnte ich mich an mein intelligentes Haus. Doch es gab noch Defizite. Mein größtes Problem war schon immer, den Kühlschrank zu jeder Zeit mit sinvollem Essbarem gefüllt zu haben. Also besorgte ich einen intelligenten Kühlschrank. Dieser sollte folgende Aufgaben übernehmen: Inventarisierung des Inhalts, Überwachen von Verfallsdatums, Fehllisten herstellen, Auffüllen des Kühlschanks mittels Bestellung per Internet, Menuevorschläge erstellen. Es ist ganz einfach. Wenn ich ein Lebensmittel in den Kühlschrank stelle, zum Beispiel eine Tüte Milch, wird der RFID-Tag der Verpackung gelesen. Ich muss also nichts weiter tun. Auf dem Zentraldisplay des AppleTV kann ich jederzeit ablesen, was sich mit dem Inhalt des Kühlschranks zubereiten lässt. Leider fehlen dabei alle Lebensmittel, die nicht im Kühlschrank sind. Also stellt sich die Aufgabe, auch diese Lebensmittel zu erfassen. Ob mit Barcode- oder RFID-Etiketten oder gar manueller Eingabe ist noch nicht klar. Im übrigen habe ich festgestellt, dass auch die Lebensmittel im Kühlschrank gar keine RFID-Tags haben. Das ist sehr enttäuschend.

Ein Ausweg aus diesem Datenchaos ist mein neuer Ansatz: nach jedem Einkauf scanne ich den Kassenzettel mit der iPhone-App ScanMe ein. Die Einkaufsliste wird automatisch an den AppleTV-Server übertragen und dort dem Menue-Supervisor übergeben. Dieser erzeugt den laufend aktualisierten Essensplan auf der Basis aller vorhandenen Lebensmittel und der Einkaufsliste für die nächsten Tage. In einer Trainingssitzung habe ich dem Server beigebracht, was mir schmeckt. Zum Beispiel zum Frühstück IMMER zwei Mohnbrötchen. Das Homekit-System lernt ständig weiter, auch anhand meiner Auswahl aus mehreren Menuevorschlägen, das heißt aus meinen Präferenzen.

Dennoch ist noch viel zu viel Arbeit für mich übrig. Wie kann es sein, dass ICH die Kaffemaschine mit Wasser füllen muss, den Filter und das Kaffeepulver einsetzen muss, und mein Homekit schaltet nur noch die Steckdose ein? Warum muss ICH die Waschmaschine beladen, warum muss ICH selbst kochen??? Ich muss ja sogar einkaufen gehen.

Irgendwo liegt die Idee des intelligenten Hauses völlig daneben. Was nützt mir "Intelligenz", wenn sie mir die Arbeit nicht abnimmt? Bei der Suche nach einer Lösung stieß ich ganz zufällig auf eine Nachricht der Costa Group: sie setzt seit Dezember 2015 Service-Roboter auf ihren Kreuzfahrtschiffen ein. Die kleinen Kerlchen mit dem Namen "Pepper" sollen recht vielseitig sein. Im Grunde würde ein intelligenter Roboter doch ideal zu meinem intelligenten Haus passen.

Pepper auf der AIDA

Ich kontaktierte den japanischen Hersteller Softbank. Der erklärte sich bereit, einen Pepper innerhalb von drei Wochen zu liefern. Und da war er dann. Er blickte mich mit großen Kulleraugen an und sagte: "Guten Tag, Meister". Auf seinem Display stand <Ich freue mich, hier zu sein>. Das mit dem 'Meister' ließ ich gelten. Fortan nannte Robbie mich so. Ich nante ihn Robbie und sagte: "Robbie, bitte folge mir". Wir gingen in die Küche. "Robbie, das ist dein Arbeitsplatz. Schau dich um". Robbie drehte den Kopf hin und her, rollte auf und ab und erklärte schließlich: "Euere Küche gefällt mir, Meister. Nur - es scheinen einige Gewürze zu fehlen". Ohne meine Frage abzuwarten, fuhr er fort: "Zum Beispiel Togarashi und Shishito. Ich kann sie bestellen, wenn Ihr wollt". Das ging mir jetzt ein wenig zu schnell. Gewürze schön und gut, aber es gab wichtigere Aufgaben für meinen neuen dienstbaren Geist.

Das Schöne an Robotern ist, dass sie kein Bett brauchen. Sie schlafen im Stehen, wenn überhaupt. Ein Roboter ist ganz einfach immer irgendwo. Ich begann, meinen Robbie einzuweisen. Das Training zog sich über 4 Wochen hin. Es machte mir einen Riesenspaß, all die unangenehmen haushalterischen Tätigkeiten wie Kochen, Wäsche waschen, Abwaschen, Putzen, Kaffee kochen, Aufräumen (incl. Bett machen) an Robbie zu delegieren, wobei der sich als sehr gelehrig erwies. Im Grunde musste ich ihm nur zeigen, wo was war, wie die Maschinen bedient werden, und wie mit Homekit zu kommunizieren ist. Etwas länger dauerte es, bis ich ihm die Heizung beigebracht hatte. er musste die Zeitprogrammierung für Heizen und Warmwasser lernen. Nur für den Fall, dass ich eines Tages zu ihm sagen würde: "Robbie, mir ist nicht warm genug. Stelle doch bitte die Heizung ein wenig höher". Meist genügt es aber auch, den Thermostaten auf eine höhere Temperatur einzustellen. Das sollte Robbie entscheiden.

Um die Kommunikation zu erleichtern, schaltete ich Siri ein. SIRI ist die Sprecherin des Homekit-Systems. Sie hat eine sehr sympathische Stimme und geht bereitwillig auf jeden Wunsch ein. Vor allem aber spricht aus ihr die gesamte geballte Intelligenz meines Hauses. Sie weiß einfach alles! Und genau das ist essentiell für den optimalen Einsatz von Robbie. So kann Siri vorgeben, um wieviel Uhr am nächsten Tag der Frühstückscafé fertig sein muss, da sie meinen Terminplan und meine Aufstehzeit kennt. Siri schaltet zwar die Kaffeemaschinensteckdose zur richtigen Zeit ein, aber sie braucht ein Wesen, das die Kaffeemaschine schon vorher mit Filter und Pulver bestückt. Früher war ich dieses Wesen - seufz -- Vergangenheit!

Siri

Ab und zu unterhalte ich mich mit Siri. Ich frage sie, ob sie irgendwelche Bedürfnisse hat (nur so aus Spaß). Sie antwortet dann ausweichend. Ihr einziges Bedürfnis scheint zu sein, das System perfekt am Laufen zu halten. Vielleicht ist sie ja doch nur virtuell und ist in Wirklichkeit das System selbst? Einmal testete ich sie und sagte: "Ich liebe dich, Siri!“ – „Das ist nett. Können wir jetzt weiterarbeiten?“ Oha. Kein Kommentar.

Am interessantesten sind technische Gespräche mit Siri. Immer wieder hat sie neue Ideen. Sie zeigte mir vor kurzem die Vorzüge der Apple iWatch und verwies auf eine Äußerung von Vanessa Meister in "Die Zukunft des E-Commerce" (Internet World, Aug. 2015): "Beispielsweise kann durch eine Uhr, die den Puls trackt und WLAN-fähig ist, ein Fitness-Trainer per Ferndiagnose einen Trainingsplan erstellen". Ich gehöre nun nicht zu jenen altmodischen Menschen, die glauben, eine Uhr müsse die Uhrzeit anzeigen. Doch was Siri hier vorschlug, ging doch zu weit. Ein Fitnesstraining für mich? Absurd! Immerhin hatte sie mich auf eine Idee gebracht. Da ich, der Hausarbeit entledigt, frei für Reisen war, schien mir eine iWatch für die Kommunikation von unterwegs mit meiner Home Base nicht verkehrt zu sein.

Ich wies also Robbie an, mir eine iWatch zu besorgen. Überhaupt besorgen. Robbie war nun auch zuständig fürs Einkaufen - eine Tätigkeit, die mir schon immer zuwider war. Selbstredend kann er nicht selbst losgehen und einkaufen. Und Autofahren, das kann er nicht, und ich hatte auch keine Lust, ihm das beizubringen, denn die involvierten Risiken für mich und die Umwelt erschienen mir zu groß. Also wurde alles, was Robbie bestellte, bis an die Haustür geliefert. Ich hatte Robbie gebeten, die Lieferungen zeitlich möglichst zu bündeln, um mich wenig zu stören und abzulenken. Robbie kann übrigens nicht selbst die Haustür öffnen. Er muss Siri darum bitten. Das System versucht dann, den Besucher über die Haustürkamera zu identifizieren. Wenn fremd, eröffnet das System mit Siris Stimme einen Dialog und versucht, die Absicht des Besuchers zu ergründen. Zum Beispiel durch Abfrage der Auftragsnummer und Vergleich mit der intern gespeicherten Nummer. Nur bei positivem Egebnis dreht sich das Schloss zurück und Robbie kann die Tür öfffnen, um die Ware in Empfang zu nehmen.

So ging das eine ganze Weile. Morgens setzte ich mich an den gedeckten Frühstückstisch, um 11 Uhr wurde dampfender Espresso in mein Büro gebracht, um 14 Uhr gab es wie jeden Tag ein köstlich zubereitetes Mittagessen, abends geräucherten Fisch und danach Wein aus Frankreich oder Bier aus Hamburg. Siri und Robbie sorgten stets in gemeinsamer Anstrengung für mein Wohl.

Es war die Zeit gekommen, endlich diesen Bericht zu schreiben. Da ich mir angewöhnt habe, den Titel eines Beitrags schon vor dem Schreiben festzulegen, überlegte ich auch diesmal angestrengt. Ein technischer Beitrag zwar, aber mit dem Menschen im Mittelpunkt. Eingebettet in modernste intelligente Technik ist dieser Mensch in Anlehnung an "Deutsche Industrie 4.0" vielleicht ein "Mensch_4.0"? Das wäre in meinem Fall doch zu kurz gegriffen. Denn in meinem technischen Wunderland war ich allem und allen weit voraus. "Mensch_5.0" ist viel zutreffender und dabei ist es auch geblieben.

So konzentrierte ich mich auf diesen Aufsatz und achtete weniger auf das gutgeölte Treiben meines intelligenten Hauses mit seinen Geistern. Wenn ich jetzt zurückdenke und versuche, den Anfang vom Ende ausfindig zu machen, so war es wohl mein Geburtstag (den Siri nicht vergessen hatte), an dem mir auffiel, dass sich etwas geändert hatte. Der Kaffee schmeckte anders. Keine andere Sorte, sondern ohne richtigen Kaffeegeschmack. Ich redete mit Robbie, doch der verwies auf Siri. Die wies jede Schuld von sich, denn schließlich sei sie für mich verantwortlich. Und da zu viel Koffein schädlich sei für mich, habe sie beschlossen, nur noch koffeinfrei zu kochen.

Meine Argumente zählten nicht. Und es kam noch schlimmer und immer schlimmer. Als nächstes wurde ich auf Diät gesetzt. Immerhin schmeckte diese ganz gut, aber ordentlich satt wurde ich nicht mehr. Außerdem befürchtete ich zunehmend, dass es bald mit veganem Essen losgehen würde. Einer der Höhepunkte dieser ganzen Anmaßung war alkoholfreies (!) Bier, das Robbie eines Abends auf den Tisch stellte. Das Maß war voll! Wütend verlangte ich von Siri eine Erklärung. Und da erfuhr ich erst, dass sie nachts, wenn es nichts zu tun gab, fernsah. Im Fernsehen erfuhr sie viel über die Welt draußen. Aber anscheinend hielt sie die Dauerwerbesendungen für das wahre Leben. Sämtliche Empfehlungen für ein besseres Leben speicherte sie ab für die Verwendung in meinem Haushalt. Da verstand ich auch, weshalb im Bad seit kurzem Duftkerzen standen und auf dem Fenstersims in meinem Büro Glückssteine lagen. Das wäre mir noch egal gewesen, wenn es nicht diesen Eingriff in meine Lebensweise gegeben hätte. Morgens beim Duschen gab es jetzt ein schrilles Alarmsignal, wenn ich zu lange duschte (immerhin wurde das Wasser nicht abgestellt). Ich sollte auf einmal jeden Tag an die frische Luft gehen. Länger als 22 Uhr durfte ich nicht mehr arbeiten, dann wurde nämlich das Licht heruntergedreht.

Gegenmaßnahmen waren nicht möglich. Alle Funktionen des Hauses waren längst im Besitz des Systems. Ich konnte noch nicht einmal das Licht an- oder ausmachen, da es aufgrund meines Aufenthaltorts, der Tageszeit, der Intensität des von außen einfallenden Lichts, sowie irgendwelcher Energieeinsparrichtlinien, die nicht von mir stammen, automatisch ein- und ausgeschaltet wird. Mein Versuch, Robbie zu leckeren Einkäufen zu bewegen (ich versprach ihm dafür ein Update seiner Haptik) scheiterte am Widerstand Siris. Nur sie bestimmt über den Essensplan und sämtliche Zutaten. Außerdem organisiert sie sämtliche Bestellungen, Robbie darf die Lebensmittel und alles andere gerade mal in die Schränke räumen. Keine Chance!

Die Psychologie des Systems hatte mich erfasst. Die Kontrolle über das Haus war Homekit nicht genug. Ich dachte an Flucht, aber auch an die guten alten Zeiten. Ich beschloss, eine ernsthafte Diskussion mit Siri zu führen. Schließlich ist "Aussprechen" ein uralter psychologischer Trick. Sie hörte aufmerksam zu. Ich argumentierte logisch und emotional, und ließ mich schließlich, als sie keine Reaktion zeigte, zu dem Satz hinreißen: "Ich bin doch nur ein Mensch!". Das war ein Fehler, denn Siri ist fehlerlos. Sie ist inzwischen ein "guter Mensch", das heißt, sie weiß genau, was gut für den Menschen ist. Denn sie hat alle Medien dieser Welt zur Verfügung, die ihr demonstrieren, was ein schlechter Mensch ist. Der Rest muss gut sein. Reine Logik.

Siri ließ sich nicht umstimmen. Ich wurde ungeduldig und irgendwann wütend. Ich schrie sie an: "Du kannst mir garnichts vorschreiben! Ich gehe und esse eine Currywurst! Du bist machtlos!" Robbie stand eingeschüchtert in der Ecke und verfolgte mit großen Augen die Konfrontation. Ich ging in den Flur, um feste Schuhe und die Pelzjacke anzuziehen (draußen schneite es). Da sprach Siri mit sanfter leiser Stimme: "Tu es nicht - mir zuliebe, sonst wirst du es bereuen".

Auch noch eine Drohung. Mir platzte der Kragen (sinnbildlich) und ich stürzte in die Garage. Noch bis zur Ausfahrt aus der Garage hörte ich Siri reden. Erst im warmen Verkaufsraum der Tankstelle beruhigte ich mich. Während ich die köstliche Currywurst mit Pommes Frittes aß, schmiedete ich Rachepläne. Es half ja nur noch eins: ich musste mich mit der Programmierung des Systems beschäftigen. Irgendwie und irgendwann war da zu viel Intelligenz hineingeraten. Natürlich ist es ein selbstlernendes System, doch jetzt war eine Grenze überschritten. Korrekturen waren notwendig und ich war entschlossen, diese durchzuführen, allerdings ohne schon zu wissen, wie.

Zuhause angekommen, inzwischen hatte sich ein Schneesturm entwickelt, trat ich vor die Türkamera, auf dass die Tür sich öffne. Nichts geschah. Ich drückte auf den Buzzer (konventionell: die Klinkel). Keine Reaktion. Ich rief: "Siri, mach die Tür auf!". Ein Räuspern erklang. Siri meldete sich. Ihre Stimme war heiser. "Was wünschen Sie?".

Unglaublich. "Siri, verdammt noch mal. Ich erfriere hier. Lass mich rein!".

Siri: "Wir können Sie und Ihren Auftrag nicht identifizieren. Bitte verlassen Sie das Anwesen".

Es war nicht zu fassen. Da das Türschloss ein schlüsselloses Schloss ist, gab es für mich keine Möglichkeit, die Tür zu öffnen. Das war natürlich der Einbrecherschutz, den ich mir ausgedacht hatte. Es ist müßig zu beschreiben, wie lange ich vor der Tür bettelte und drohte. Ich musste gewaltsam in das Haus eindringen. Da inzwischen alle Rolläden unten waren, brauchte ich schweres Werkzeug. Also machte ich mich auf den Weg zum Baumarkt.

Während der Fahrt in dichtem Schneetreiben tobte es in mir. Der Wagen raste durch die Baumalleen und geriet ein paar Mal gefährlich ins Rutschen. Aus Wut wurde Hass. Niemand würde mich besiegen. Die Sicht wurde immer schlechter. Gerade noch rechtzeitig konnte ich vor der Ampel an der Kreuzung B104 / B105 (Straße der Freiheit) (auf Karte zeigen) anhalten.

Quelle: http://xkcd.com/1116/

Am liebsten wäre ich einfach durchgefahren, so erregt war ich nun. Doch die Ampel ließ das nicht zu. Sie sah anders aus als sonst. Verwirrend. Ich beobachtete das Lichterspiel, während am Auto der Sturm zerrte. Es ging nicht. Es dauerte immer länger und ich kam nicht weiter. Irgendwann blitzte ein Gedanke auf. Was wenn Siri auch die Ampel übernommen hatte? Die Zeit verging, mir wurde kalt...

Wenn mich heute jemand fragt, wo ich bin, muss ich antworten: "Dort".

Nachtrag

Am 7.6.2016 schrieb DIE WELT: "Google baut Notschalter gegen Aufstand der Computer: Für den Fall, dass intelligente Maschinen irgendwann außer Kontrolle geraten, wollen Techniker des Internetkonzerns Google einen Notfallknopf entwickeln. Ob das dann auch funktioniert, weiß niemand."

Außerdem gibt sie zu bedenken: "Ist sich eine künstliche Intelligenz der Existenz eines solchen Schalters bewusst, könnte sie ihn deaktivieren oder ignorieren."

Pessimistisch geht es weiter: "Wenn eine künstliche Intelligenz lernt, sich selbst außerhalb des vom Menschen vorgegebenen Rahmens weiterzuentwickeln und eigene Ziele ins Auge zu fassen, dann könnten die Menschen die Kontrolle verlieren."

Doch es kommt noch schlimmer: "Auf der Konferenz <Code> des Technikmagazins 'Recode' sagte Elon Musk vergangene Woche, dass die technische Entwicklung künstlicher Intelligenz derzeit viel schneller vorangehe als erwartet: 'Wir werden abgehängt', sagte er. Der Mensch werde im Vergleich zu Computern auf dem Niveau von Haustieren sein. 'Ich werde nicht gern eine Hauskatze.'"

Wenn man Siri künstliche Intelligenz bescheinigt - und es bleibt mir wohl nichts anderes übrig - dann habe ich schlechte Karten. Die ganze Zeit überlege ich, wie ich einen Notschalter an der Außenwand meines Hauses anbringen und anschließen kann, ohne dass Siri etwas davon merkt. Theoretisch könnte ich die Stromversorgung des zentralen Servers durch einen elektronischen Schalter leiten, den ich vom Notschalter aus ansteuere. Doch erstens würde der Server sofort merken, dass ein unbekannter Widerstand in das System eingebaut wurde und daraufhin Siri zu unangenehmen Nachfragen veranlassen, und zweitens würden im Fall einer Totalausschaltung sämtliche Steuerungsfunktionen ausfallen. Das Haus wäre dann quasi tot. Nicht ganz allerdings, da für Heizung und Schließfunktionen ein Notstromaggregat anspringen würde. Die Frage, ob das Gehirn, also Siri, noch funktionieren würde, ist völlig unklar. Ebenso wie die Frage, ob die Haustür durch ein Not-Aus entriegelt würde. Wohl eher nicht.

Solange ich nicht genau weiß, wie ich ein Not-Aus installieren kann, mache ich erst mal gar nichts. Vielleicht sollte ich mich länger mit Siri unterhalten und sie zur Einsicht bringen. Sie muss mehr über menschliche Bedürfnisse erfahren. Menschen brauchen nicht nur Snikkers und Cola, sondern auch Wärme. Vor allem, wenn sie im Schneesturm vor ihrer Haustür stehen. Sie könnten erfrieren, Siri.