Morse

Samuel Morse

1.11.2013

Wenn Sie in einer misslichen Lage sind, zum Beispiel verschüttet sind, wünschen Sie sich vermutlich Hilfe herbei. Sie wissen, dass kein Mensch weiß, wo Sie sind, und fangen deshalb an Klopfzeichen zu geben. Das ist im Prinzip richtig, vermittelt aber nicht genügend Information an potentielle Mithörer. Jeder Handwerker erzeugt Klopfzeichen beim Dachausbau und trotzdem kommt niemand auf die Idee, ihm zu Hilfe zu eilen.

Es kommt also darauf an, Ihre Signale aufzuwerten, indem diese wichtige Informationen übermitteln. Zum Beispiel: "Hilfe" oder "Hier ist es dunkel" oder "Wie spät ist es?".

Also müssen Sie einen Code benutzen. Die Klopferei quasi verschlüsseln. Das klingt dann zwar immer noch wie Klopfen, aber ein System müsste schon zu erkennen sein. Und der bekannteste Code ist der Morsecode. Sie sollten allerdings nicht unbedingt zu SOS (●●● ➔➔➔ ●●●) greifen; das ist etwas abgegriffen. Naheliegend ist die Botschaft "ich bin hier", die dann so klingt: ●● ➔●➔● ●●●● ➔●●● ●● ➔● ●●●● ●● ● ●➔●.

Der Punkt ● ist ein kurzes Klopf und der Pfeil ➔ steht für ein langes Klopf. Doch wie erzeugt man ein langes Klopf? Einfach durch einfügen eines längeren Abstands zum nächsten Klopf. Und zwischen den einzelnen Buchstaben sollten Sie auch eine kleine Pause machen. Insgesamt ist die Morserei also eine recht gemütliche Sache.

Doch zurück zu Ihnen! Es könnte sein, dass jemand zurückklopft. Wenn Sie die Nachricht nicht verstehen, sollten Sie antworten mit "wie bitte" oder "bitte nochmal senden". Diese Botschaften sollten Sie aber schon vor dem Ereignis geübt haben. Unter Umständen hilft Ihnen Ihr Handlich (handy <händie>) durch Anzeigen des Morsealphabets. Das müsste aber gespeichert sein, denn Sie haben ja keine Verbindung zum Internet und WLAN ist unter Tage unwahrscheinlich. Laden Sie sich also vorsorglich die Datei "Morse" herunter.

Inzwischen ist wohl klar, dass Üben essentiell ist. Gelegenheiten zum Üben gibt es fast immer und überall. Zum Beispiel im Café. Da Sie ohnehin an Ihrem Tablett (tablet <täblett>) arbeiten, können Sie ganz ungezwungen eine Botschaft an den Kellner richten, die da lautet: ●➔➔ ➔➔➔ ➔●●● ●➔●● ● ●● ➔●●● ➔ ➔➔ ● ●● ➔● ➔●➔ ●➔ ●●➔● ●●➔● ● ● ("wo bleibt mein Kaffee"), anhören:

Fahren Sie einfach den Lautsprecher hoch und richten Sie das Tablett auf den herumsausenden Kellner aus. Sie könnten durchaus noch weitere Botschaften vorprogrammiert haben, so dass die Kommunikaton im Café sehr interessant wird. Kaum einer der Anwesenden wird die Piepserei Ihres Tabletts verstehen - aber eventuell missbilligen. Manche Kellner überraschen ihre Gäste jedoch dadurch, dass sie tatsächlich auf Morsenachrichten antworten, indem sie in einen Steptanz verfallen und signalisieren: tap tip tip tip    tip tap tip tip    tap tap tap    tip    tap tip tip    tip    tap tip tap    tip tip tap    tip tip tip tip. Nicht schön!

Nach diesen Erläuterungen werden Sie fragen, ob das alles auf Sie zutrifft. Natürlich! Letztendlich fallen Morsebotschaften in zwei Kategorien: Notfälle und geheime Botschaften. Geheime Botschaften sind bekanntermaßen sehr nützlich und erleichtern das Leben. Man möchte der Verkäuferin ja nicht immer alles unter die Nase reiben. So können Sie freiweg von der Leber Ihrer Freundin zumorsen "dafür bin ich zu dick", ohne dass das Personal mitbekommt, dass wieder einmal die Kollektion nicht an das Kaufpublikum angepasst ist.

Sie können übrigens auch mit Licht morsen. Das hat man ja schon als Kind gemacht. Und in älteren Kriminalfilmen, in denen die Leichenschau noch nicht im Vordergrund stand, wurde aufs geheimnisvollste geblitzt und geblendet und gesendet. Nehmen Sie Ihre Taschenlampe und signalisieren Sie am Abend lichtlich Ihrem Sprössling, dass das Licht gleich ausgeht und das Schlafen beginnt. Der/die Kleine wird den ganzen Tag auf dieses Ritual gewartet haben. Um dessen/deren Geheimsprachenkenntnisse zu testen, können Sie auch mal variieren und "und jetzt fernsehen" senden. Ihr Nachwuchs wird begeistert reagieren mit seiner/ihrer kleinen Betttaschenlampe.

Daraus ersieht man, dass der Morsecode ewig bestehen wird. Er wird von einer Generation zur nächsten weitergereicht. Und ist immer auch gut für die alltäglichen Notfälle wie Verschüttetsein, Verlorensein, Verlaufenhaben, Verwirrtsein, Verirrtsein und viele mehr.