Im Jahr 2050

29.7.2017

Richard Fisher

Man kann ja bei Nostradamus* nachschlagen. Die Prophezeiungen seiner Almanache reichen bis ins Jahr 2242. Die in Versform gefassten Voraussagen von Tod und Verderben können beliebig ausgelegt und gedeutet werden. Deshalb lohnt es sich nicht, darauf einzugehen. Statt dessen betrachten wir die Weissagungen von heute.

Die British Broadcasting Corporation (BBC) mit Sitz in London erzeugt tagtäglich Nachrichten, auch über die Zukunft. Eine spezielle Abteilung mit der Bezeichnung "BBC Future", geleitet von Richard Fisher (Editor), verfasst Beiträge zu technischen, wissenschaftlichen und soziologischen Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten.

In seinem Beitrag "10 grand challenges we'll face by 2050" benennt Bryan Lufkin (Assoc. Editor) in der Serie "Future Now" 10 Entwicklungslinien, deren Auswirkungen im Jahr 2050 relevant sein werden.

Genetische Veränderung des Menschen

Eingriffe ins Erbgut werden häufiger und erfolgreicher. Mit Hilfe der CRISPR/Cas-Methode gelingt es, Bakteriengene zu modifizieren, so dass sie besser gegen ihre Fressfeinde, die Phagen, geschützt sind. Transgene Mäuse können schneller gezüchtet werden. Möglichkeiten zur Verbesserung der Gentherapie eröffnen sich. Kritiker befürchten, dass Genmanipulationen zunehmend auch am Menschen vorgenommen werden. Sie warnen vor dem "Designerbaby" mit speziellen, vorprogrammierten Fähigkeiten**.

Alternde Bevölkerung

Die Menschen werden immer älter. In 33 Jahren wird es Millionen von Hundertjährigen geben. Die Versorgung alter Menschen, auch durch Roboter, wird ein beherrschendes Thema.

Untergegangene Städte

Der Anstieg des Meeresspiegels führt zu massiven Überschwemmungen in tiefergelegenen Landgebieten und Städten. Besonders gefährdet sind Mumbai, New York, Hongkong, Kalkutta, Jakarta, Shanghai, Tokio und Buenos Aires. In New York ist Manhattan schon überflutet. Aber auch viele pazifische Inseln verschwinden völlig. Überschwemmungsflüchtlinge drängen nach Europa.

"Soziale" Medien beherrschend

Objektive, beweisbare Nachrichten sind fast verschwunden. Die Bevölkerung orientiert sich an den Meldungen in Facebook, Twitter und myWorld. Generationen wachsen heran ohne je unterscheiden zu können zwischen echten und falschen Meldungen. Unzählige politische Glaubensrichtungen entstehen und bedienen ihr Klientel. Jede scheinbar objektive Recherche wird überlagert durch korrespondierende Falsch-(Fake)-Meldungen.

Geopolitische Spannungen

Ob der große Krieg ausbrechen wird, ist schwer zu sagen, trotz des globalen Overkill Potentials. Weltweite Unruhen sind jedoch wahrscheinlich. Zwei Gründe dafür lassen sich heute schon ausmachen: die Bevölkerungswanderungen über die Kontinente hinweg, und die in strahlendem Medienlicht agierenden politisch Wahnsinnigen, aktuell in Nordkorea. Überlagert werden diese Entwicklungen durch immer häufigere Angriffe auf Computersysteme und Netzwerke.

Automobile Sicherheit

Die Sicherheit von Automobilen wird weiter verbessert und die Selbstfahrfähigkeit bei autonomen Fahrzeugen gewinnt weiter an Bedeutung. Doch die Zahl der Autos nimmt rapide zu und führt zu großen und teuren Infrastrukturproblemen. Diese werden auch durch den Versuch, immer mehr Autos mit Explosionsmotor durch Elektroautos zu ersetzen, nicht gelöst.

Schwindende Ressourcen

Nicht nur der Schwund von fossilen Brennstoffen gefährdet die Industrie, sondern auch die zunehmende Knappheit von Metallen der Seltenen Erden wie Scandium, Yttrium, Lanthan sowie der Lanthanoide wie Cer, Praseodym, Neodym, Europium und Yttrium. Die Förderung ist kostspielig und die Belieferung aus den größeren Lagerstätten in China (Mongolei), Brasilien und Russland ist oftmals aus politischen Gründen unsicher.

Weltraumtourismus

Kommerzielle Unternehmen wie SpaceX werden Weltraumausflüge anbieten. Ob Menschen auf dem Mars landen und sich häuslich einrichten werden, ist denkbar, aber unwahrscheinlich, denn die hohen Projektkosten stehen in keinem günstigen Verhältnis zum Nutzen. Auf der anderen Seite sind nämlich die Einsätze von autonomen Raumschiffen mitsamt Robotern zur Schürfung von Mineralien auf dem Mond und dem Mars sowie den ferneren Planeten wesentlich lohnender.

Intelligenzverstärkung

Höhere Leistungsfähigkeit, schnelleres Denken, besseres Gedächtnis - alles ein Fall für Doping. Gehirndoping wird Realität, sei es durch speziell entwickelte Medikamente (Drogen) oder implantierte Chips. Die Microcomputer im Chip können Drogen bei Bedarf dosieren, abhängig von den vital ermittelten Körperwerten. Das kostet Geld und das hat nicht jeder.

Künstliche Intelligenz

Extrem leistungs- und lernfähige Computerprogramme ersetzen zunehmend Fachleute auf allen Gebieten - Medizin, Recht, Verwaltung, Banken, Versicherungen, Logistik, Militär. Die Gesellschaft spaltet sich auf in Spezialisten, die die Computer programmieren (und damit für noch mehr Arbeitsplatzverluste sorgen) und wenig qualifizierte Kräfte, die die Restarbeit erledigen. Strategische Entscheidungen werden immer öfter von Computern getroffen, ähnlich wie heute schon beim Aktienhandel an der Börse. Wer die mächtigsten Computer besitzt, gewinnt.

Ein Ausblick:

Wenn wir ins Jahr 2050 reisen, könnten wir Jaimia begegnen. Die Insel Tapiwa ist inzwischen im Meer versunken, deshalb musste ihre Familie eine neue Heimat suchen. Jaimia lebt jetzt im Alter von 43 Jahren in Waikiki, einem Vorort von Honolulu. Dort arbeitet sie in einem der vielen Altersheime mit überwiegend betagten Amerikanern. Täglich gibt sie den Senioren Infusionen mit lebensverlängernden Genen (das neu entwickelte Eterneum-Hormon). Ihre Chefin, eine Amerikanerin aus Seattle, ist mit ihrem IQ-Chip unter dem Schlüsselbein viel schlauer als Jamaia (und deswegen Chefin). Aber das macht Jaimia nichts aus. Sie hat ihr kleines Tablet, das ihr alles erzählt. Ob FaceTag, wo sie und ihre Freundinnen sind, immer die Wahrheit sagt, glaubt sie nicht. Gestern hieß es, die Chinesen hätten eine Atomrakete auf Japan abgefeuert, angeblich weil die Japaner irgendwelche Lieferungen mit seltenen Erden (?) nicht bezahlen wollen, doch kurz danach war es genau umgekehrt. Ist ja auch egal. Was sie freut, ist eine positive Rückmeldung auf ihre Bewerbung für die Reise zum Mars im August. Generell ist sie glücklich, aber nicht immer zufrieden mit ihrem equick-Elektroauto, denn das fährt manchmal nicht dahin, wohin sie will. Dann hat sie den Eindruck, es ist von einer höheren Macht beherrscht, genau wie ihr Tagebuch, in dem manchmal Sachen stehen, die sie bestimmt nicht hineingeschrieben hat.

Ein Hinweis in eigener Sache:

Bei durchschnittlich 25 neuen P-Domain-Beiträgen pro Jahr darf man im Jahr 2050 mit rund 900 Beiträgen insgesamt rechnen. Spätestens dann ist das maximale Lesevergnügen garantiert.

Die Erforschung der Zukunft ist auch praktisch möglich, wie im Aufsatz "Die Zukunft" beschrieben.
Die Besiedlung des Mars ist das Thema des Aufsatzes "Mars".

* Fragt man Nostradamus, sieht 2017 gar nicht gut aus. Es gibt nämlich sieben gereimte Vorhersagen von Nostradamus, wonach die Welt in diesem Jahr Kopf stehen soll. Es wird einen großen Krieg geben, der eine einst starke Nation spalten wird. Den Anführer trifft ein Blitz und es brechen Angst und Schrecken in Reims (Frankreich) und London aus.
Die italienische Toskana kämpft währenddessen gegen eine brutale Seuche. Außerdem beginnt 2017 eine 40-Jährige Dürre, auf die eine gewaltige Sintflut folgen wird. Neben Naturkatastrophen und Kriegen müssen wir uns laut Nostradamus auch auf einen königlichen Skandal einstellen: 2017 werden Liebesbriefe bei der Queen gefunden. Wer ihr heimlicher Lover ist, weiß aber niemand - es steht kein Absender drauf. (Die Queen ist 91 Jahre alt).

Hier sind die Ethik-Wächter aufgerufen, Missbrauch und Fehlentwicklungen zu verhindern.

**Menschen genetisch zu "konstruieren" ist so unwahrscheinlich, dass in naher wie auch weiterer Zukunft nicht damit zu rechnen ist. Die New York Times schreibt dazu am 4.8.2017:

Here is what science is highly unlikely to be able to do: genetically predestine a child’s Ivy League acceptance letter, front-load a kid with Stephen Colbert’s one-liners, or bake Beyonce’s vocal range into a baby.
That’s because none of those talents arise from a single gene mutation, or even from an easily identifiable number of genes. Most human traits are nowhere near that simple.
“Right now, we know nothing about genetic enhancement,” said Hank Greely, director of the Center for Law and the Biosciences at Stanford. “We’re never going to be able to say, honestly, ‘This embryo looks like a 1550 on the two-part SAT.’”
Even with an apparently straightforward physical characteristic like height, genetic manipulation would be a tall order. Some scientists estimate height is influenced by as many as 93,000 genetic variations. A recent study identified 697 of them.

Quellen:
http://www.bbc.com/future/story/20170713-what-will-the-challenges-of-2050-be
https://de.wikipedia.org/wiki/CRISPR
http://www.chip.de/news/Klingt-nicht-gut-Das-alles-hat-Nostradamus-fuer-das-Jahr-2017-vorhergesagt_107133970.html
https://www.nytimes.com/2017/08/04/science/gene-editing-embryos-designer-babies.html?hpw&rref=science&action=click&pgtype=Homepage&module=well-region&region=bottom-well&WT.nav=bottom-well
http://www.bbc.com/future/story/20141230-apocalypse-when

Das BBC Future Team hat eine Graphik erstellt, die ganz genau zeigt, welche Apokalypsen die Menschheit treffen werden. Das fängt schon in wenigen Jahren an mit dem Aussterben der Bienen (keine Bestäubungen mehr, kein Obst mehr), und geht weiter bis zum finalen Countdown, dem Tod des Universums. Nostradamus hätte das nicht schöner beschreiben können. Click auf Bild zeigt die gesamte Graphik: