Die 10.000-Jahr Uhr

9.3.2018

The Long Now Foundation [1] wurde im Jahr 01996 gegründet, um das Denken in großen Zeiträumen zu fördern und Anleitungen für verantwortliches Handeln in den kommenden 10.000 Jahren zu erarbeiten. Ein Jahr zuvor war die Idee geboren worden, ein Symbol für eine Zeitspanne zu schaffen, die weit über den Horizont des Menschen hinausreicht.

10000 Year Clock

Das Symbol

Das Symbol ist eine Uhr, die 10.000 Jahre lang läuft und in dieser unvorstellbar langen Zeit um weniger als einen halben Tag "falsch" geht. Diese Uhr, "The Clock" genannt, bezieht ihre Energie aus den täglichen und saisonalen Temperaturschwankungen.

Gründer und Ideengeber für die Clock sind Danny Hillis, Computer Ingenieur, Stewart Brand, Biologe, und Brian Eno, Musiker. Viele andere arbeiten seither mit an der Realisierung der monumental großen mechanischen Uhr, die tief in einem Bergmassiv in Texas installiert wird.

Hillis formulierte seine Vision so: "I want to build a clock that ticks once a year. The century hand advances once every 100 years, and the cuckoo comes out on the millennium. I want the cuckoo to come out every millennium for the next 10,000 years."

Ein zwei Meter hohes Modell der Uhr wurde schon im Jahr 01999 gebaut. Zur Jahreswende und dem Beginn des 21. Jahrhunderts schlug sie zweimal in Presidio, Kalifornien. Das Modell steht jetzt im London Science Museum.

Die Komponenten

Die Uhr besteht aus mehreren übereinander angeordneten Komponenten.

Ganz unten der Mechanismus zur Erzeugung und Nutzung von potentieller Energie, gespeichert in der Position eines Gewichts mit der Masse von 5 Tonnen. Das Gewicht kann manuell nach oben bewegt werden mit Hilfe einer vertikalen Ankerwinde. Zu dritt gelingt es Besuchern, das schwere Gewicht durch Drehen der Winde anzuheben. Das ist das "Aufziehen" der Uhr.

Daran gekoppelt ist das Zeitpendel, Die "Unruhe" der Uhr. Es schwingt mit einer Periode von 10 Sekunden und gibt den Takt der Uhr vor.

Dann folgt der mechanische Computer, ein Gebilde von Zahnrädern auf 10 Ebenen. Es ist die Tonsteuerung für den darüber stehenden Tongenerator. Die Steuerung ist so ausgebildet, dass sie eine Instanz von mehr als 3,5 Millionen Permutationen einer 10-stelligen Zahl erzeugt, wobei sich keine Instanz wiederholt. Die erzeugte Zahl, z.B. 3175669218, schlägt nacheinander die korrespondierenden Stangen des Tongenerators, des "Glockenspiels" an. In diesem Fall also zuerst die Stange Nr. 3, dann Stange Nr. 1, dann 7, dann 5, usw. Da die Stangen unterschiedlich lang sind, ergibt sich eine Tonfolge. Das Glockenspiel ertönt nur, wenn genügend Energie vorhanden ist, und dann zur Mittagszeit.

Der Algorithmus der Tonsteuerung wurde von Brian Eno entwickelt. Die Anzahl der in der Mechanik der Tonsteuerung implementierten Permutationen reicht aus, um in der Zeitspanne von 10.000 Jahren jeden Tag eine neue Tonfolge spielen zu lassen. Da abzusehen ist, dass oftmals über längere Zeit kein Spiel stattfindet mangels Energie, reicht der Permutationsvorrat über 10.000 Jahre hinaus.

Über dem Tongenerator ist die Anzeige der Uhr angebracht. Sie zeigt die Gestirne, die Sonne und den Mond. Die aktuelle Jahreszahl wird auf zwei konzentrisch rotierenden Ringen gezeigt, wobei einer das Jahrhundert und der andere das Jahr anzeigt, also zum Beispiel 020 und 18. Der Nachthimmel rotiert mit einer Achsabweichung von 23 Grad, um der Präzession der Erdachse mit einer Periode von 23.000 Jahren zu folgen. Im Innern der Uhr befindet sich eine 12-Stunden Zeitanzeige, die aber nur der Kontrolle der Ganggenauigkeit dient.

Ohne Energie läuft die Uhrenanzeige nicht weiter. Besucher haben die Möglichkeit, sich das aktuelle Datum anzeigen zu lassen, indem sie an einem Handrad drehen. Das aktiviert die Neueinstellung der Zeit. Die Uhr hat jedoch auch eine eigene Energiequelle. Es sind zwei lange Metallarme, die sich unter dem Einfluss von Temperaturänderungen im Gewölbe (bis zu 10 Grad Tag-/Nacht-Unterschied) um wenige Millimeter verbiegen. Das reicht aus, um das Antriebszahnrad ein Stück zu drehen und dadurch dem Uhrwerk genügend Energie zu geben, sich weiter zu bewegen.

Die Bestimmung der absoluten Zeit ist eine komplexe Angelegenheit [2]. Die Uhr erzeugt 5 verschiedene Zeiten: Pendulum Time, Uncorrected Solar Time, Corrected Solar Time, Displayed Solar Time, and Orrery Time. Sie wird immer wieder mit dem Sonnenstand synchronisiert, und zwar mit Hilfe eines Kolbens, der durch die aufgrund der Sonnenstrahlung induzierten Ausdehnung der Luft in einer geschlossenen Kammer bewegt wird,

Eine der Schwierigkeiten besteht darin, den Takt des Zeitpendels an die im Verlauf von 10.000 Jahren veränderliche Rotation der Erde anzupassen. Das geschieht über mehrere Nockenwellen im Uhrwerk. Die Nockenformen sind die mechanischen Äquivalente mathematischer Formeln zur Korrektur der sich verlangsamenden Erdrotation. Des weiteren werden die Variationen der Jahreslänge und die mechanische Drift des Uhrwerks berücksichtigt.

Die Installation

Das Gewölbe, in dem die Uhr steht, reicht nach oben bis an die Erdoberfläche an der höchsten Erhebung des Bergmassivs. Dort ist es abgeschlossen durch ein Fenster aus Saphirglas. Die Sonnenstrahlung erwärmt einen Hebelmechanismus, der einen langen Stab gerade so viel bewegt, dass das Gewicht am Tiefpunkt des ganzen Gebildes ein Stück angehoben wird und sich somit der Level potentieller Energie erhöht.

Für die Uhr wurde ein Kalksteinberg auf dem Gelände von Jeff Bezos in der Nähe der Stadt Van Horn im Westen von Texas ausgehöhlt auf eine Höhe von 160 Metern. Die Uhr, die im Jahr 02023 fertiggestellt sein soll, nimmt darin eine Höhe von 70 Metern ein.

Besucher betreten den Berg durch eine Schleuse. Durch einen langen Tunnel gelangen sie in die Höhle. Hier ist es finster. Nur ganz weit oben ist ein schwaches Licht zu sehen. Langsam steigen sie in die Höhe auf einer spiralförmigen Treppe in der Höhlenwandung. Vorbei an dem riesigen Gewicht, dem Getriebe (hier können die Besucher Energie spenden durch Drehen der Winde), dem Pendel, immer höher hinauf zum monumentalen Mechanismus der Tonsteuerung, vorbei am Glockenspiel bis zur Anzeigeeinheit der Uhr. Im Licht der Taschenlampe kann nun Datum und Zeit abgelesen werden. Wenn beides nicht stimmt, ist es ratsam, das große Rad zu drehen, um der Uhr genügend Energie zu geben, sich selbst einzustellen. Um die Mittagszeit ertönt das Glockenspiel. Die Besucher wissen, dass das was sie hören, einmalig ist und nie wieder in dieser Folge zu hören sein wird.

Niemand hört jemals, wie die Uhr, ganz allein in der Dunkelheit, von selbst immer wieder eine Melodie ertönen lässt, wenn sie genügend Energie dafür hat und die Sonne scheint.

Alles Denkbare wurde getan, um der Uhr eine Lebensspanne von 10.000 Jahren zu geben. Langlebige Materialien wie Edelstahl, Keramik, Granit, Saphir werden bei der Herstellung eingesetzt. Der geographische Ort an der Westspitze von Texas, 200 Kilometer südöstlich von El Paso, soll ein immer gleichmäßig warmes und trockenes Klima gewährleisten. Unsere Anfrage bei der Long Now Foundation, was mit der Uhr geschehen würde, falls eine tausendjährige Eiszeit einträte und jede Energieversorgung ausfiele, wurde am 7.3.2018 folgendermaßen beantwortet: "Thanks for your inquiry. In the event of an ice age, the glaciers should not come that far south, part of the reason we chose that mountain". Das Feldmassiv schützt die Uhr. Erdbeben sind dort nicht zu erwarten.

Trotzdem

Das "Überleben" der Uhr steht und fällt mit der Energieversorgung. Das Uhrwerk darf nicht zum Stillstand kommen. Es muss vor allem für die stetige Oszillation des Zeitpendels gesorgt werden. Zunächst einmal wirkt der Tag-/Nacht-Temperaturunterschied auf die Metallarme des Zentralorgans der Uhr, des Displays, und ist somit die primäre Quelle der autonomen Energiezufuhr. Die Sonne tut ein übriges. Sie synchronisiert die Uhr und hilft bei der Erhöhung des Energielevels. Das alles sind Prozesse, die tagaus-tagein und über 30 Menschengenerationen hinweg ablaufen sollen.

Um eine Zeitspanne von 10.000 Jahren einschätzen zu können lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Vor 10.000 Jahren begann der Ackerbau im Nahen Osten und die erste Hochkultur entstand in Mesopotamien. Der damalige Mensch war von uns so weit entfernt wie die Menschen es in 10.000 Jahren sein werden. Das führt zur Frage: Welche Wesen (Menschen?) mögen dann die Uhr aktivieren und die Melodie des Tages hören?

Glockenspiel

Die ersten 5 Tonfolgen des Glockenspiels im Jahr 07187
(elektronisch erzeugt)


Quellen:

[1] Long Now Foundation http://longnow.org
The Clock http://longnow.org/clock/
Langlebigkeitsprinzipen: http://longnow.org/clock/principles/
Algorithmus + midi files: http://interglacial.com/clock/about.html
Installationsfilm: https://vimeo.com/256688359?from=outro-embed
[2] Die Berechnungen http://media.longnow.org/files/2/10_AAS_11-665_Hillis.pdf
http://www.10000yearclock.net
https://www.welt.de/kmpkt/article173843767/Die-10-000-Jahre-Uhr-Warum-Jeff-Bezos-eine-42-Mio-Dollar-teure-Uhr-in-einen-Berg-baut.html