Alive Painting

21.12.2015

Die Kriegsbemalung der Indianer diente der Abschreckung von Feinden. Gerne wird heute die Kriegsbemalung im Fasching praktiziert, aber auch im Kindergarten. Es gibt wohl kaum einen älteren Brauch, als sich das Gesicht oder den Körper zu bemalen, zu verzieren, zu verändern und zu verschönern.

Body Painting ist zu einer Kunstform geworden. Regelmäßig finden große Veranstaltungen und Wettbewerbe statt. Die hohe Kunst ist es, Bekleidungsstücke auf den Körper zu malen, anstatt sie zu tragen. So kann sie auch sehr teuere Klamotten tragen, ohne sie kaufen zu müssen. Das Tragen von nur aufgemalter Bekleidung ist jedoch gesellschaftlich nicht allgemein anerkannt, so dass dieses Brauchtum in der Bevölkerung nicht sehr weit verbreitet ist.

Eine interessante Variante der Body Painting Kunst ist das Pop-Out-Painting. Dabei wird der Mensch Teil eines Bildes, also selbst zum Bild. Er wirkt wie gemalt, jedoch nicht zweidimensional wie ein herkömmliches Gemälde, sondern dreidimensional aus der Leinwand herausragend, quasi herausspringend -> pop-out. Das Bild der Künstlerin Alexa Meade ist ein Beispiel für die Verfremdung durch Bemalen: eine Frau hält scheinbar ein Gemälde ihrer selbst vor sich. Tatsächlich hält sie gar nichts. Hintergrund (die Wand), das Gesicht und die Hälfte des Oberkörpers sind so bemalt, dass der Eindruck eines Ölgemäldes entsteht, das sich vor der Frau befindet.

Während das Pop-Out-Painting eine Leinwand mit Person emuliert, geht das Alive-Painting einen Schritt weiter. Hierbei werden komplette Szenen als Gemälde verfremdet - die darin befindlichen Personen natürlich auch. Das Ganze wirkt wie ein riesiges, von Hand gemaltes Bild. Der Herstellungsprozess ist immens aufwendig. Diese Kunst ist die Antwort auf das schnelle Photoknipsen.

Am 4.11.2015 trafen sich Künstler aus ganz Russland in in Krasnoyarsk (Sibirien) zum Art Krasnoyarsk Festival. Alles, was es visuell zu bestaunen gibt, war dort. Fluoreszierende Menschen, Puppenmenschen, Animationen, Manga und mehr. Zwischen all dem präsentierte Maria Gazanova live ihre Alive-Painting-Kunst. Sämtliche Einrichtungsgegenstände sind bemalt, Computer, Bildschirm, Boden, Wände, Sessel, Stuhl - und auch die beiden Frauen.

Die Szenerie wirkt unwirklich, und ist es auch. Licht und Schatten sind so gemalt, dass sich die Frauen nicht bewegen dürfen, anderenfalls stimmt das Muster nicht mehr. Anders als bei einem Photo, das eine Momentaufnahme ist (vorher und nachher ist das Bild ein anderes), ist das lebendige Gemälde eine eingefrorene Zustandsabbildung, so wie man es von einem künstlich geschaffenen Bild erwartet. Und man möchte dieses Gemälde mit nach Hause nehmen und aufhängen. Das geht leider nicht. Also kann man das Gemälde, die Szene, nur ablichten (photographieren). Doch das digitale Abbild ist nur ein Teil des Ganzen. Es fehlen die Wärme des Scheinwerferlichts, der Geruch von Farbe, das Atmen des Gemäldes, und die angespannten Vibrationen der menschlichen Objekte.

Der Ratgeber rät: Machen Sie Ihr ganz privates Alive-Painting. Nehmen Sie eine typische Stellung ein, zum Beispiel im Fernsehsessel vor dem Fernseher. Engagieren Sie einen künstlerisch ambitionierten Freund oder eine künstlerisch ambitionierte Freundin und bitten Sie ihn / sie, Ihr Wohnzimmer in ein Gemälde zu verwandeln. Man kann mit Öl- oder Acrylfarben arbeiten, oder mit Spraydosen. Es empfiehlt sich, zuerst die Gegenstände zu bemalen, bevor Sie selbst mit Pinsel und Spray zu einem Teil des Kunstwerks gemacht werden. Die Szene, die auf den Fernsehbildschirm gemalt ist, bleibt erhalten. Sie sollten später nicht versuchen, Ihre Bemalung loszuwerden, denn nur damit passen Sie in Ihr neues Zuhause.

Alive Painting by Maria Gazanova
Maria Gazanova mit einem ihrer Objekte

Quelle: Photos: REUTERS / Ilya Naymushin