Fernsteuerung

26.11.2021

Ferngelenkte Modellflugzeuge und Modellautos gibt es schon lange. Dass jedoch schwere Lastkraftwagen im Verkehr fahrerlos und ferngelenkt unterwegs sind, ist eine unerhörte Neuheit. Die Kombination von autonomem Fahren (automatisches Spurhalten und Abstandhalten) und Steuerung über 4G-Internet macht es möglich. Während Modellflugzeuge per Funksignalen im 2,4 GHz-ISM-Band mit begrenzter Reichweite gesteuert werden, können Fahrzeuge im Verkehr weltweit über das Mobilfunknetz gelenkt und überwacht werden. Es ist also möglich, den 40-Tonnen Fernlaster, der in Nord-Norwegen ganz alleine mit seiner Fracht und ohne menschlichen Beistand unterwegs ist, vom Fahrerstand in München aus ins Ziel (Mørsvikbotn) zu steuern.

Getrieben wird die Entwicklung vom Umstand, dass es immer weniger Lkw-Fahrer gibt, zumindest zu wenige für den steigenden Anteil von Transporten. Pionier auf dem Gebiet der Teleoperation für eine fahrerlose Logistik ist die Firma Fernride in München. Sie stellt Hardware- und Softwarelösungen für die Automatisierung von Logistikhöfen (Yards) für den Frachtumschlag mittels Rangieren von Wechselbrücken und Anhängern bereit, sowie für Lkw-Fernfahrten und und das Manövrieren in der städtischen Umgebung.

Der Betrieb eines Logistikhofes, z.B. eines DB-SCHENKER-Yards ist vergleichbar mit dem hochgradig automatisierten Containerumschlag im Hamburger Hafen. In beiden Fällen geht es darum, Wechselbrücken oder Container vom Stellplatz auf einen Lkw oder ein Frachtschiff zu bringen, oder umgekehrt. Die Komplexität aller gleichzeitig ablaufenden Bewegungen ist nur per Computer zu bewältigen. Die Prozesse werden von Operateuren überwacht, die bei Problemen eingreifen können.

Dies ist kein Simulator

Operateure für die Lkw-Fernsteuerung sitzen bei Fernride in einem Führerstand, der die Bedienelemente Lenkrad, Bremspedal, Gaspedal sowie Schaltung und Kupplungshebel, falls notwendig, zur Verfügung stellt. Außerdem ein Display für verschiedene Ansichten aus dem zu steuernden Lkw. Ein Operateur kann mehrere Lkws gleichzeitig fahren, im Extremfall sind es bis zu 40. Dann spricht man von Flottenmanagement und der Operateur ist der Flottenmanager. In der Regel navigieren die Lkws selbstständig und reagieren auf alle Fahrbedingungen automatisch, d.h. sie fahren autonom. Der menschliche Operator überwacht das Geschehen und greift bei Problemen ein.

Voraussetzung für die Fernsteuerung von Fahrzeugen ist natürlich der Zugriff auf die Stellelemente Fahrzeuglenkung, Bremsen, Motor bzw. Generator von außen per Steuersignalen. Seilzüge, hydraulische Leitungen, und Gestänge werden ersetzt durch elektrisch gesteuerte Aktuatoren (Stellglieder) direkt am Aggregat. Das Prinzip nennt sich "drive by wire". Schon vor 79 Jahren begann das Zeitalter der "fly by wire" Flugzeuge. Der B-17E-Bomber der US-Luftwaffe war damals damit ausgestattet, wenngleich in sehr einfacher Form. Heute werden die autonomen Bodenfahrzeuge "by wire" gesteuert.

Nur eine Frage der Zeit ist es, bis die Fernsteuerung von Automobilen Einzug hält in den privaten Bereich. Die Familie Schlottbeck zum Beispiel hat sich einen nagelneuen Tesla Z9 zugelegt. Dieses Fahrzeug fährt autonom und kann von ohne großen Aufwand ferngesteuert werden. Man benötigt lediglich eine Control-Console, hergestellt von Nintendo. Diese besitzt ein 12" Display, auf dem die Außenansichten aus der Sicht des Fahrzeugs dargestellt sind. Außerdem diverse Knöpfe, Taster, Schalter, und zwei Joysticks zur Steuerung und Beeinflussung des Fahrzeugverhaltens.

Familienoberhaupt Alf Schlottbeck übte ein paar Tage lang das Einfahren in die Garage und Herausfahren aus der Garage und einige Fahrmanöver vor dem Haus. Dann überlegte er, welche nützlichen Aufgaben sein Z9 erledigen könnte. Recht bald kam er auf das zwei Kilometer entfernt gelegene Subway-Restaurant, vor allem deshalb, weil es einen Drive-Thru-Verkauf hat. Ich könnte doch das Auto dort hinschicken und vier Whopper-Burger mit Krautsalat holen lassen für's Mittagessen. Gedacht, getan. Also gab er Z9 diese Anweisung: "Fahre zum nächstgelegenen Subway und hole in der Drive-Thru-Station 4 Whopper-Burger und fahre nach Hause in die Garage". Alles verlief nach Plan. Der getreue Z9 Tesla fuhr in die Drive-Thru-Station, gab dort die Bestellung per Außendisplay auf der Beifahrerseite durch, bezahlte per NFC (Near Field Communication), wartete eine Weile, bis ein Roboterarm das dampfende Mittagessen durch das geöffnete Beifahrerfenster auf den Beifahrersitz gelegt hatte, und fuhr dann nach Hause.

Alf ging in die Garage, um das Essen zu holen, und überlegte dabei, dass er gelegentlich einen Hausroboter anschaffen sollte, der für ihn in die Garage gehen würde, was natürlich viel praktischer wäre, als selbst zu gehen. Wie auch immer, die Schlottbecks Alf, Wilma, Soren, und Malfie genossen ihre Mahlzeit. Alf bemerkte, dass mit dem neuen Z9 doch wirklich alles schneller und einfacher ging als bisher. Alle nickten zustimmend.

So bricht eine neue Zeit an. Dein Auto, dein Freund und Helfer - intelligent, genügsam, folgsam. Alles ist möglich. Das Auto bringt die Kinder in die Schule, holt morgens die Brötchen, bringt den Müll auf die Deponie. Das alles und noch viel mehr dank drive-by-wire-Fernsteuerung. Schöne neue Welt!

Quellen:

https://www.fernride.com/home-de
https://www.n-tv.de/auto/Wenn-der-Trucker-ins-Buero-geht-article22926136.html
https://www.youtube.com/watch?v=O2deEsPhZ5E (Werbefilm DB SCHENKER Finnland)
https://www.fernride.com/news-de/artikel-05 (Fallstudie: DB Schenker und Fernride testen fahrerlose Hof-Logistik)
https://www.youtube.com/watch?v=67XPZsqxnlU (Teleoperated Roboauto)
https://www.inside-digital.de/ratgeber/mobilfunk-standards-lte-4g-5g-unterschied (Erklärungen zu LTE / 4G)
https://de.wikipedia.org/wiki/Funkfernsteuerung