Her mit dem Bügeleisen

Bügeln

Warum Emanzipation so leicht ist - und trotzdem so schwer

Kathrin Spoerr
1.10.2013

Fast jede Frau, die einmal dabei zugesehen hat, wie ein Mann ein Oberhemd bügelt, wird ihm mitleidvoll das Bügeleisen aus der Hand genommen und Hilfe angeboten haben. Sie tut es einfach, denn es ist gemein, jemanden allein zu lassen mit einer Aufgabe, die ihm so schwer- und ihr so leichtfällt. Junge Leute helfen alten Leuten, Erwachsene helfen Kindern, Frauen helfen Männern.

Und Männer helfen Frauen. Er nimmt der ratlosen Frau das iPhone ab und installiert das neue Betriebssystem. Er holt den Vorschlaghammer und haut die Wand weg, während sie den Kaffeetisch deckt und sich darüber freut, wie stark er ist. So ist es, und es ist gut so.

Es könnte so leicht sein, das Leben in dieser Welt, wenn nicht diese lästige Emanzipation wäre. Die meisten Frauen können noch immer besser bügeln, und Männer beherrschen die Kunst des Vorschlaghammerschwingens in aller Regel besser. Aber mit der Erledigung dieser Tätigkeiten sind Aufgabenverteilung und Geschlechterverhältnis von heute nicht hinreichend beschrieben.

Lange war es so, dass Männer (und Frauen) dachten: Frauen können nichts von dem, was Männer gut können, also denken, dichten, lenken, leiten, schaffen, machen. Männer (und Frauen) dachten: Männer können nichts von dem, was Frauen gut können, also Kinder und kochen.

Die Probleme begannen, als Frauen es probierten mit dem Denken, Schaffen und Machen. Sie sahen: Das kann ich ja auch. Das macht ja Spaß. Das will ich auch. Und zwar nicht unter dir, sondern neben dir, über dir, Mann. Seitdem haben Männer keine Ruhe mehr. Sie haben Angst vor den Frauen, und viele schreien "Schluss mit der Scheiß-Emanzipation".

Man möchte sie trösten. Die Frauen werden aufhören. Sobald sie genauso leicht Chef werden. Sobald sie für die gleiche Arbeit das gleiche Geld kriegen. Dann werden sie auch weiterhin Kinder kriegen und vermutlich auch weiterhin Oberhemden bügeln. Wenn Männer im Gegenzug das iPhone im Griff behalten. So leicht ist es mit der Emanzipation.

(Quelle: Die Welt, 1.10.2013, Seite 3)