Weganer

15.10.2013

Weganer essen nichts vom Tier. Alles was vom Tier ist vergiftet sie. Die Ursache hierfür liegt in der Vergangenheit.

Noch vor einigen Jahrhunderten war der Planet Rofus|X, der um die Sonne Wega kreist und dafür rund 11 Jahre braucht, bewohnt und äußerst produktiv. Ein wichtiger Wirtschaftszweig war immer die Bronftzucht. Bronfte liefern fast alles, was ein Weganer zum Leben benötigt. Dazu gehört auch der Milchsirup mit vielen Proteinen und Vitaminen.

Vor knapp hundert Jahren veränderten sich der Milchsirup und andere Bronfterzeugnisse recht dramatisch, denn sie wurden ungenießbar für die Weganer. Serien von Wega-Eruptionen mit harten Strahlungsstößen hatten die Bronfte genetisch verändert. Die Lage war außerordentlich kritisch geworden und das Überleben der Weganer nicht mehr gesichert.

Der Ausweg war die unumgängliche Nahrungsumstellung auf das, was Rofus|X noch bieten konnte, hauptsächlich Beeren und Nüsse. So lebten die Weganer dann auch mehrere Generationen lang frugan. Doch diese Ernährungsweise hatte Nachteile. Die Weganer wurden allmählich immer dünner und kleiner.

Erstkontakt auf der Erde

Schließlich beschlossen sie auszuwandern. Sie bauten ein Raumschiff, beluden es mit getrockneten Beeren und Nüssen und fuhren los. Die Fahrt durch den leeren Weltraum dauerte lang. Durch das ständige Nüsseessen wurden die Weganer allmählich pelzartig. Aufgrund einer gewissen Navigationsschwäche schafften sie es nur bis zum Sonnensystem Sol (unsere Sonne) und identifizierten dort den blauen Planeten (unsere Erde) als geeigneten Landeort. Ihr Kreiselsystem ließ sie wieder einmal im Stich und so landeten sie recht abrupt auf einer weiten Gletscherfläche in der Antarktis. Eine erste Erkundung führte sie zu einem Gebäude auf Stelzen. Sie konnten in der Umgebung und im Gebäude keine Lebewesen entdecken, dafür aber reichlich Nahrungsmittel in Konservendosen.

In dieser schon lange verlassenen Forschungsstation im ewigen Eis begann das neue Leben der Weganer auf der Erde. Nach einigen Magenunstimmigkeiten klappte die Nahrungsumstellung auf eingemachte Bohnen und Tomaten recht gut. Eines Tages landete ein Fluggerät neben der Station. Es war der erste Kontakt mit Bewohnern der Erde. Die Begegnung verlief freundschaftlich und wurde im weganischen Raumschiff gefeiert. Die Weganer erzählten alles über ihre Heimat. Besonders begeistert zeigten sie sich über die Tatsache, dass man ihre Sonne am nächtlichen Sternenhimmel sehen kann. Die Erdmenschen, zwei UN-Repräsentanten, eine Abgeordnete des Nobelpreiskomittees, und der Pilot (aus Weißrussland) übermittelten ihre Botschaft, die darin bestand, den Emigranten Asylrecht zu gewähren. Der weganische Kommandant FerroX| verstand das nicht vollständig, aber er nickte verständnisvoll und gab den Besuchern Recht. Das war das Zeichen zur Unterzeichnung eines Bleiberechtsvertrags.

Insgesamt war es so, dass die Weganer gern gesehen waren und wurden auf der Erde. Sie hatten keine Botschaft, waren aber eben deswegen sehr beliebt. Immer wieder wurden sie zur Thematik des Milchsirups interviewed, denn eine solche Substanz fehlte noch auf der Erde. Doch sie konnten nicht viel dazu sagen, denn der Milchsirup war schon Generationen vorher giftig geworden. Nachdem bekannt geworden war, dass die Weganer auf ihrer langen Reise von Nüssen gelebt hatten, kamen Wagenladungen von Erdnüssen, Walnüssen, Mandeln, Haselnüssen, Macadamianüssen, Pekannüssen, Kokosnüssen und sogar Pistazien; ohne Rücksicht darauf, dass sie gerne auch mal etwas anderes essen würden. Außerdem würden sie pelzig von den Nüssen.

Allmählich lernten die Weganer die Menschen kennen. Neben all den Großtaten wie Pyramiden, iPhones, Gentests lernten sie auch deren Untaten kennen. Vor allem die Unsitte, Tiere zu essen, und auch deren Erzeugnisse, stieß auf völliges Unverständnis, denn jeder Weganer weiß, dass alles vom Tier und das Tier selbst ungenießbar sind, und das gilt natürlich nicht nur für Bronfte.

Auf ihren Vortragstouren durch die Welt erfuhren die Weganer dann ganz überraschend, dass es auf der Erde Weganer menschlichen Ursprungs gibt. Sie waren völlig verdutzt, denn man hatte ihnen immer versichert, dass es keine Bronfte auf der Erde gibt und deshalb auch kein Ernährungsproblem. Sie trafen sich mit einem Vertreter der Mensch-Weganer. Dieser lud sie in seinen Heimatort ein und zwar nach Niederdeißlingen in Süddeutschland. Hier waren die Weganer sehr herzlich willkommen. Sie wurden mit einer Tofutorte begrüßt und mussten dann wieder und wieder von ihrer Heimat Rofus|X erzählen, wo man schon lange keine Tiere mehr isst und auch nicht deren Erzeugnisse. Alle Mensch-Weganer waren begeistert von den "echten" Weganern, als die sie gerne bezeichnet wurden.

Die echten Weganer ließen sich bei den Mensch-Weganern in Niederdeißlingen nieder. Es gefiel ihnen in der ländlichen und stillen Gegend gut, doch das Leben in Niederdeißlingen war nicht so einfach, wie sie sich das am Anfang vorgestellt hatten. Es waren nicht nur die vielen toten Tiere in den Schaufenstern, sondern auch Restaurant-Menükarten mit eindeutigen Angeboten und - am schlimmsten - der Bratengeruch am Sonntag Mittag, was sie allmählich schwermütig werden ließ. Mit Wehmut dachten sie an ihre Heimat, in der es nie nach Braten roch. Auf der anderen Seite gab es einige wenige unter ihnen, die anfingen zu schnüffeln und irgendwann die neuen Gerüche nicht uninteressant fanden.

Kurz gesagt, es gab eine Abspaltung bei den Weganern. Einige von ihnen wollten keine Weganer mehr sein, sondern sich total integrieren in die menschliche Gesellschaft. Mit allem drum und dran. Bei einem Treffen im Verborgenen brieten sie ein Stück Fleisch von der Kuh, was allerdings misslang, da es anbrannte. Der daraus resultierende Geschmack hätte die Neu-Menschen eigentlich davon abhalten können, auf ihrem neuen Kurs weiterzugehen, doch mit großem Idealismus machten sie dann noch weitere Experimente.

Viele der total integrierten Weganer führten jetzt ein ambivalentes Leben zwischen der vergangenen Ernährungswelt auf Rofus|X und den Sitten auf der Erde. Ganz zufällig kam ihnen dabei die Entdeckung der P-Domain zugute. Dort fanden sie einen wertvollen Hinweis, wie man beide Kulturen verbinden kann. Der Leitfaden Carnivoria bietet ein einfaches Entscheidungsschema, das eigenes Nachdenken überflüssig macht.

Bronft

Heutzutage kann man die echten Weganer nicht mehr von den Mensch-Weganern unterscheiden. Sie haben sich für immer vermischt. Auch hat sich generell das Interesse am Sonnensystem der Wega wieder gelegt.

Selbst die ehemals echten Weganer können nicht mehr sagen, was es mit diesem hellen Stern am nächtlichen Himmel auf sich hat.