Arpanet

10.11.2019

Die Zeitungen sind in diesen Tagen voll von Artikeln "50 Jahre Internet". Kaum zu glauben, dass das World Wide Web schon so alt ist. Tatsächlich aber gibt es das Internet erst seit 1995, als die ersten Browser für Jedermann verfügbar wurden. Bis dahin war das globale Netzwerk ein Gebilde für Spezialisten in Forschungs- und militärischen Einrichtungen.

Tatsächlich liegt die Geburtsstunde des Internets weiter zurück, nämlich im Jahr 1966, als zum ersten Mal Computer miteinander verbunden wurden. Bis dahin programmierten Forscher ihre "eigenen" Mainframe-Computer, große Schränke mit handverdrahteter Elektronik, speziell und nur für ihre Forschungsaufgaben.

Pentagon: Wiege des Internet

Bob Taylor war damals Chef der 1958 gegründeten Advanced Research Projects Agency (ARPA). Er arbeitete auf dem dritten Stock des Pentagon in Washington D.C., direkt neben dem Verteidigungsministerium. Er hatte Zugriff auf drei ARPA-Computer - Im MIT (Massachusetts), an der University of California (UCLA) und beim Strategic Air Command in Santa Monica. Jeder dieser Computer wurde von einem eigenen Terminal aus angesprochen, jeweils in einer anderen Programmiersprache.

Es war zu dieser Zeit nicht möglich, Daten direkt von einem der drei Computer zu einem anderen zu schicken. Taylor wollte die Computer verbinden. Er sprach mit dem ARPA-Chef Charles Herzfeld darüber und dieser bewilligte ihm sofort die nötigen Mittel mit den Worten: "Great idea. Get it going. You've got $1million more in your budget right now. Go." Ganze 20 Minuten hatte das Gespräch gedauert, mit dem die Entwicklung des Internet begann.

Skizze des Arpanet in der Entstehung, Larry Roberts 1969

Das Ziel war nun, ein Netzwerk zu schaffen, an das beliebige Computer-Hardware und -Software angeschlossen werden konnte. Es schien von Anfang an unmöglich, die vorhandenen, sehr unterschiedlichen Mainframe-Computer an die Netzstruktur anzupassen. Deshalb schlug Wesley Clark vor, den Mainframes einen Minicomputer zur Seite zu stellen, der die Aufgabe der Verständigung im Netz übernehmen sollte.

Also geschah es. Jeder der raumfüllenden Mainframe-Computer wurde mit einem kleinen Computer verbunden, einem Honeywell Minicomputer in Kühlschrankgröße mit 400kg Gewicht und dem Preis einer halben Million Dollar (nach heutigem Wert). Das war der Interface Message Processor (IMP). Ab da unterhielten sich die IMPs im Netz mit allen anderen IMPs. Sie sorgten für den geregelten Datenverkehr von einem Mainframe zum anderen.

IMP Front Panel

Alle IMPs waren gleichartig programmiert und beherrschten das Netzprotokoll. Doch die Anfänge waren holprig. Der Prototyp IMP0 funktionierte überhaupt nicht und die Fehlersuche in der Verdrahtung dauerte Monate. Doch am 29.10.1969 standen IMP1 an der UCLA und IMP2 im Stanford Research Institute bereit zur Datenübertragung zwischen ihren beiden Mainframes.

Der Operator erteilte den Befehl "Login", doch übertragen wurde nur "Lo". Das Netz brach zusammen. Aber diese beiden Buchstaben waren vom Computer in Los Angeles an den Computer in Stanford übertragen worden mit Hilfe der beiden IMPs. Und das war die Geburtsstunde des späteren Internets. Zunächst existierte allerdings nur dieses Arpanet.

Arpanet Anfang der 70er Jahre

Weitere Netzwerke neben dem Arpanet wurden im Lauf der folgenden Jahre aufgebaut und des weiteren miteinander verbunden. Schließlich entstand das Netz der Netzwerke (das interconnected network): das Internet.

Die IMPs wurden in den 80er Jahren ersetzt durch Router, welche die immer komplizierteren, aber auch leistungsfähigeren Netzprotokolle beherrschten. Heute steht auf jedem Schreibtisch eine kleine Box, ein Router, der die Computer im Heim- oder Firmen-Netzwerk (LAN) mir dem externen Provider-Computer verbindet.

Was heute selbstverständlich ist, die weltweite Übertragung riesiger Datenmengen in Sekundenbruchteilen, basiert auf der Leistung vieler Pioniere und einer fast 60-jährigen Entwicklungsgeschichte.

Quellen:
https://www.bbc.com/news/business-49842681
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/internet-wird-50-wie-alles-mit-zwei-buchstaben-und-einem-absturz-anfing-a-1293668.html
https://www.faz.net/aktuell/wissen/computer-mathematik/das-netz-wird-50-ein-halbes-jahrhundert-im-internet-16453877.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Interface_Message_Processor
https://www.computerhistory.org/collections/catalog/X105.82

Nachtrag 18.12.2019

Die Vernetzung der archaischen Laborcomputer Mitte der 60er Jahre war ohne Programmiersprachen nicht möglich. 15 Jahre vorher hatte der Mathematiker Tony Brooker begonnen, erstmalig eine Programmiersprache zu entwickeln, welche die bis dahin notwendige Eingabe von 0-1-Zahlenfolgen ersetzen sollte. Er schuf damit die erste "high-level computer programming language". Im Jahr 1951 begann er mit seinen Arbeiten im Computerlabor der University of Manchester, das damals von Alan Turing geleitet wurde. Er benutzte dazu die neu installierte Ferranti Mark 1 Maschine. Seine neue Programmiersprache, die Befehle automatisch in die 0-1-Maschinensprache übersetzte, nannte er "Autocode". Im Jahr 1954 veröffentlichte das Manchester Computerlabor Autocode als erste kommerzielle High-Level-Computersprache.

Ferranti Limited etablierte daraufhin ein Team von Entwicklern, die mit Autocode Testprogramme für den Mark 1 schreiben sollten. Ein Teammitglied war Vera Hewison. Sie heiratete Tony Brooker im Jahr 1957. Ein weiteres Teammitglied war Mary Lee Woods, deren Sohn, Tim Berners-Lee, HTML (Hypertext Markup Language) erfand und als der Vater des World Wide Web (www) gilt.

Quellen:
https://www.nytimes.com/2019/12/13/technology/tony-brooker-dead.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Alan_Turing
https://de.wikipedia.org/wiki/Tim_Berners-Lee
https://www.leifiphysik.de/elektronik/transistor/geschichte/die-erfindung-des-transistors

Tony Brooker (1972)