Bitcoins schürfen
22.11.2018
Das Dröhnen der Bohrhämmer hallt durch die Felstunnel. Männer schuften Tag und Nacht tief unter der Erdoberfläche am Nordfjord im Westen Norwegens. Die Ausbeute: eine Handvoll Bitcoins am Tag. Seit Äonen waren diese im Fels eingeschlossen, doch erst seit einigen Jahren erfährt die kleine Metallscheibe mit der seltsamen Prägung eine stetig zunehmende Wertschätzung. Inzwischen wird der Lefdal Fjord von Kreuzfahrtschiffen angefahren. Vor allem deutsche Touristen besuchen die Mine, um endlich einmal eine Bitcoin-Münze in der Realität - und auch noch frisch geschürft - sehen zu können.
Mit Loren werden die Bitcoins vom Abbauort zum DataMining-Bereich des Bergwerks gebracht. Zunächst werden die Münzen gereinigt und poliert, danach digitalisiert, das heißt, sie werden „eingezahlt“ wie auf der Bank. Es gibt jedoch nicht wirklich eine Bank. Statt dessen übernimmt ein unterirdisches Computersystem die Registrierung der Einzahlung, und zwar durch einen Eintrag in eine Buchhaltung namens „Blockchain“. Das Blockchain-System verzeichnet alle Bitcoin-Transaktionen weltweit.
Jede Transaktion in der Blockchain muss verifiziert werden. Dazu gehören extrem rechenintensive Operationen wie das Durchforsten der gesamten Kette nach Duplikaten oder Umkehrungen, die Erstellung der Schlüssel (Public und Private Key), sowie die Verkettung durch Einfügen der vorhergehenden Adresse. Das Blockchain-System ist zusätzlich so eingestellt, dass nur alle zehn Minuten ein neuer Datenblock eingefügt werden kann.
Diese enorme Rechenleistung ist im Bergwerk installiert. In den riesigen Felskammern stapeln sich Container voller Hochleistungscomputer. Die Firma Northern Bitcoin betreibt hier 15 Container voller spezialisierter Hardware, nämlich den Antminer S9 Computern (Bei Amazon für 450 Euro erhältlich). Der Energieverbrauch ist enorm. Jeder der mehr als 3000 Antminer läuft 24 Stunden am Tag bei 1372 Watt Leistung. Während Strom in Norwegen billig ist, muss doch ein aufwendiges Kühlsystem die erzeugte Wärme abführen. Das 8 Grad kalte Nordfjordwasser kühlt über einen Wärmetauscher den Wasserkreislauf, der die Container auf niedriger Betriebstemperatur hält - und erwärmt sich dabei um 5 Grad.
Für jede verifizierte Transaktion erhält Northern Bitcoin 12 Bitcoins (die Zahl variiert). Das sind nach dem aktuellen Wert eines Bitcoins immerhin 46.584 Euros. Das Geschäft lohnt sich. Data Mining im Lefdal Bergwerk: das virtuelle Geld entsteht hier.
Unterdessen ist die Besuchergruppe aus Deutschland, die gestern Abend mit den Hurtigrouten angelandet wurde, am Bruch VWS01 (Visitors Work Site #01) in Kammer 13 angekommen. Im Schatten des grellen Scheinwerferlichts stehen die 12 Reisenden in graue Bergarbeitermonturen gehüllt. Jeder hat eine Spitzhacke in der Hand. Der Führer macht es vor. „Immer draufhauen“, erklärt er. „Aber Abstand halten zur Sicherheit!“. „Aber jetzt“, denkt Friedhelm Kohlhammer aus Oberhausen, „Einfach wie Kohle raushauen, das kann ich doch“. Seine Frau Erna neben ihm hackt mit im Takt. Sie mühen sich eine ganze Weile ab, aber dann ist es soweit: etwas glitzert in der Wand und es ist ein Bitcoin. Ein Traum wird wahr - eine echte Bitcoin-Münze! Friedhelm löst sie behende mit ein paar behutsamen Schlägen aus dem Felsgestein.
Großartig fühlt sie sich an - so hart. Im Scheinwerferlicht glitzert sie. Er reicht sie seiner Frau, sie solle mal fühlen. Erna steckt bis zur Nase im viel zu großen Bergarbeiter-Schutzanzug und lächelt dabei ein wenig unsicher. Da bricht es plötzlich aus Friedhelm heraus. „Alle machen die Bitcoins schlecht. Aber sie sind im Unrecht. Das sieht man doch sofort: Bitcoins sind eine echt harte Währung! Stimmt doch Erna, oder?“. Glück ist, wenn man von etwas überzeugt ist.
Quellen:
VDI-Nachrichten Nr.29/30, 20.7.2018, Seiten 10,11
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/kryptowaehrung-fjordwasser-fuer-gruene-bitcoins/22824622.html
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Rechenzentrum-in-norwegischem-Bergwerk-3714484.html
https://www.lefdalmine.com
www.meinbargeld.de in Rubrik <Technik><Bitcoin>