π

Emma Haruka Iwao

17.3.2019

Emma war schon in ihrer Kindheit fasziniert von der Zahl π. Immerhin ist sie irrational! Im Alter von 12 Jahren programmierte sie ihren kleinen Computer (in der Programmiersprache C), um π mit möglichst vielen Stellen hinter dem Komma zu berechnen. Sie wandte dabei die Kettenbruchrechnung an, wie sie es im Mathematikunterricht gelernt hatte. Welche Zahl würde herauskommen, wenn sie ihren Computer immer weiter arbeiten lassen würde? Und würde sie vielleicht Wiederholungen oder Muster sehen, die noch niemand entdeckt hat? Die Kettenbruchentwicklung, die Emma Haruka Iwao als junge Schülerin angewandt hatte, beruht auf dem "Rezept" A001203: Simple continued fraction expansion of Pi [7], wie in der Online Encyclopedia of Integer Sequences der OEIS Foundation [8] dargestellt.

Sie war einfach neugierig. Und hatte Spaß beim Programmieren. Das ist bis heute so geblieben - heute, da sie einen Weltrekord aufgestellt hat bei der Berechnung der höchsten Anzahl von Nachkommastellen der Zahl π.

Eine Berechnung von π

 

 

In der Grundschule berechnete Emma π mit dieser Formel

Bevor wir uns Emmas Projekt genauer anschauen, hier ein kleiner Einschub für unsere Leser und Leserinnen, die in der Schule keine Lust auf Mathematik (oder vielleicht nichts verstanden) hatten:

π ist definiert als Quotient von Kreisumfang U / Kreisdurchmesser d. Da der Kreisumfang aber nur mit Hilfe von π errechnet werden kann (U = π d), muss π durch ein Näherungsverfahren bestimmt werden.

Da π eine irrationale Zahl ist, lässt sich ihre Darstellung in keinem Stellenwertsystem vollständig angeben: Die Darstellung ist stets unendlich lang und nicht periodisch. Bei den ersten 100 Nachkommastellen in der Dezimalbruchentwicklung ist keine Regelmäßigkeit ersichtlich:

π = 3,141 592 653 589 793 238 462 643 383 279 502 884 197 169 399 375 105 820 974 944 592 307 816 406 286 208 998 628 034 825 342 117 067 9…

Die erste überlieferte angenäherte Berechnung von π stammt von Archimedes (ca. 250 B.C.), der in einen Kreis ein 96-Eck legte und ein anderes 96-Eck um den Kreis. Da er die beiden Umfänge der 96-Eckformen berechnen konnte, konnte er aus den beiden Werten den dazwischenliegenden Kreisumfang abschätzen.

Im 17. Jahrhundert verbrachte Ludolph van Ceulen 30 Jahre seines Lebens damit, die ersten 35 Dezimalstellen von π zu berechnen. Er rechnete allerdings nicht mit einem 96-Eck wie Archimedes, sondern mit wesentlich höheren Eckzahlen bis hin zu 2exp62 Ecken, um eine möglichst hohe Genauigkeit zu erzielen.

Die erste Computerberechnung 1949 mit dem ENIAC Großrechner erbrachte in 70 Stunden Rechenzeit 2.037 Dezimalstellen.

2016 berechnete der Schweizer Peter Trüb (DECTRIS AG) die Zahl π auf 22 Billionen Dezimalstellen in 105 Tagen [9].

Der Weg Emmas zur Weltrekordlerin führte sie zunächst an die University of Tsukuba, wo sie Computer Sciences studierte. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit Hochleistungs-Computersystemen. Danach arbeitet sie als Software-Ingeneurin für verschiedene Firman, u.a. Red Hat.

Im Jahr 2015 schloss sie sich dem Tokyo Ableger des Google Cloud Platform Developer Advocacy Teams an. In diesem Jahr (2019) zog sie nach Seattle in die Google Zentrale. Dort kümmert sie sich um Applikationen der Google Cloud. Und endlich konnte sie dort ihren Traum verwirklichen, die Zahl π mit Hilfe von 25 zusammengeschalteten virtuellen Cloud Maschinen und 170TB Speicher mit bisher unerreichter Genauigkeit zu berechnen. Zur Berechnung benutzte sie den y-cruncher-Algorithmus [10]. Die Funktionen des Computersystems programmierte sie selbst. Die Rechenzeit betrug 121 Tage.

Am 14.3.2019 geschah es dann: Emma hatte mit der Berechnung von 31.415.926.535.897 Dezimalstellen einen neuen Weltrekord aufgestellt und die bisherige Bestmarke, aufgestellt von Peter Trüb im Jahr 2016 [9], weit übertroffen. Das wurde in der Google Zentrale gebührend gefeiert, während Emma aber schon im fernen Japan weilte.

Zeit also, π genauer zu betrachten.

Auf der Pi-Delivery-Platform [12] kann man sich π anhören. Die Dezimalstellen von π werden auf dem Klavier gespielt mit 5 Anschlägen pro Sekunde in einer von 5 verschiedenen Tonarten. Um sich alle 31,4 Billionen Stellen anzuhören, benötigt man rund 190.355 Jahre.

Um alle bisher bekannten Dezimalstellen verbal aufzusagen, benötigt man 332.064 Jahre [1].

Emma Pilot

Emma hat diese lange Zeit etwas relativiert. "Kein Mensch kann 24 Stunden am Tag Zahlen aufsagen. Wir müssen dem Menschen Zeit einräumen für Schlafen, Essen, Telephonieren und sogar Träumen. Deshalb rechne ich mit nur 12 Stunden am Tag. Dann braucht man eben mehr als 660 Tausend Jahre, was soll's. Es ist sowieso klar, dass jeder seine Aufgabe an die nächste der insgesamt 22.137 Generationen weitergibt, damit π auch wirklich bis zum Ende aufgesagt wird." (Bis zum heute erreichten Ende, wohl gemerkt).

Selbstverständlich ist das nicht das Ende der Fahnenstange. Immerhin ist π unendlich. Je mehr Dezimalstellen bekannt werden, desto länger ist dann auch die Aufsagezeit, die letztendlich gegen Unendlich strebt. Es ist zu vermuten, dass es in der Spanne der Menschheitsexistenz nicht gelingt, die Abertrillionen Zahlen zur Gänze auszusprechen. Schade.

Solche Überlegungen halten Emma nicht davon ab, weiter zu rechnen. "Ich bin neugierig. Immer wieder träume ich davon, dass eines Tages eine Konvergenz auf eine Zahl eintritt." Hier sind zum Beispiel die letzten 97 Dezimalstellen der 31,4 Billionen Stellen langen Zahl [11], und dann kommen plötzlich nur noch die Einsen:

6394399712 5311093276 9814355656 1840037499 3573460992 1433955296 8972122477 1577728930 8427323262 4739940111 1111111111 1111111111 1111111111 1111111111 .........

Niemand weiß, was das zu bedeuten hat.


Quellen:
[1] https://www.bbc.com/news/technology-47524760
[2] https://thenewstack.io/google-clouds-haruka-iwao-sets-a-new-record-for-calculating-pi/
[3] https://blog.google/products/google-cloud/most-calculated-digits-pi/
[4] http://www.numberworld.org/blogs/2019_3_14_pi_record/
[5] https://www.jpl.nasa.gov/edu/learn/list/oh-the-places-we-go-18-ways-nasa-uses-pi/
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Kreiszahl
[7] https://oeis.org/A001203
[8] http://oeisf.org
[9] https://web.archive.org/web/20161206063444/https://www.dectris.com/successstories.html#success_pi
[10] https://web.archive.org/web/20161122022125/http://www.numberworld.org/y-cruncher/
[11] https://cloud.google.com/blog/products/compute/calculating-31-4-trillion-digits-of-archimedes-constant-on-google-cloud
[12] https://pi.delivery
[13] https://en.wikipedia.org/wiki/Emma_Haruka_Iwao
Emmas Twitter Account @Yuryu / https://twitter.com/yuryu/medi

Das Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology hat zur Feier des Tages aufgelistet, wofür die NASA die Zahl π benötigt [5]. Unter 18 Anwendungen sind die Landung auf dem Mars, Asteroidenverfolgung, Funkverbindungen ins All u.a. Eine Rechenaufgabe dazu: https://www.jpl.nasa.gov/edu/pdfs/piday2018_jupiter_handout.pdf

Bemerkungen zum Rekord im Jahr 2016:

DECTRIS smashes old world record for precision of pi [9]

How big is pi? Most high school students will shoot off 3.14 without much thinking, but Peter Trüb, software developer at DECTRIS, has a different answer. According to his calculation, which came to a conclusion last week, pi weighs in at 8.5 TB. Calculated to 22.4 trillion digits, "pi is so long it would fill a library of several million 1000-page books if printed on paper", says Trüb.

There are several reasons for calculating pi to ever increasing precision. Mathematicians would like to find out whether pi is normal. If so, each sequence of digits would be equally likely to occur, and the stream of digits would appear perfectly random. Computer scientists use pi to test numerical analysis algorithms. For DECTRIS, the point of the calculation was the massive stressing of a computer system similar to those under development for EIGER detector control and data processing.

We used a DELL PowerEdge 930 server with four hyper-threaded 18-core Intel Xeon CPUs and a total of 144 parallel threads. The system memory was 1.25 TB, but the critical point for the success of the calculation was the performance of the disks. Swiss electronics distributor Brack.ch supplied twenty-four 6 TB hard drives to hold the vast amounts of data generated during the calculation and backups of intermediate results. Always eager to support their customers in special projects, Brack.ch recommended Seagate Enterprise Capacity hard disks for their high data transfer rates and 24/7 reliability. In the end, more than 7 PB of data were read and written over the course of the project, filling each hard drive sixty times over without a glitch.

The calculation of pi with Alexander J. Yee's highly parallelized program γ-cruncher put a heavier strain on our hardware than even macromolecular crystallography experiments with the largest EIGER detectors. Swapping of pages from memory to disk caused high sustained data transfer rates, while the server ran at full CPU load for extended periods of time. "While the hard drives were specifically chosen for this test, it revealed the kind of system reliability that our customers have come to expect of DECTRIS systems", says Stefan Brandstetter, Head of Product Management at DECTRIS. The calculation proceeded without unexpected interruption and finished in 105 days.

With this calculation, DECTRIS has not only set a new world record for the precision of pi but, says Clemens Schulze-Briese, CSO of DECTRIS, also "performed a veritable stress test on a system similar to those some of our customers will encounter as DCU of their latest EIGER X 9M and EIGER X 16 detectors". The server has passed this test with flying colors, to the benefit of mathematicians and crystallographers alike.